WIEN. Die Sexualbroschüre „Ganz schön intim“ schlägt in Österreich weiterhin hohe Wellen. Kritiker werfen dem Verein „Selbstlaut“ vor, mit dem vom österreichischen Bildungsministerium finanzierten Unterrichtsmaterial für sechs- bis zwölfjährige Kinder Indoktrination betreiben zu wollen. So hatte sich unter anderem ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon in einer parlamentarischen Anfrage an das Ministerium über eine „Diskreditierung der sogenannten ‘Kernfamilie’“ empört.
Auch FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz hat in einer weiteren Anfrage beklagt, daß die „natürlich gewachsene Familie zwischen Mann und Frau“ in der Broschüre abgewertet werde, „dafür ‘lesbisch’, ‘schwul’, ‘hetero’ und ‘trans’ als vollkommen gleichwertig dargestellt“ sind. Diese Vorwürfe weist der Verein, der sich „gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ engagiert, zurück. Es ginge nicht um Ideologie, „sondern um die bestmögliche Vorbeugung von sexuellem Kindesmißbrauch“.
Neugierde ist Angriffsfläche für Sexualstraftäter
In einer Stellungnahme des von acht Frauen getragenen Vereins heißt es, daß „gerade strukturell geschwächte Kinder, also auch Kinder, die einer gesellschaftlichen Randgruppe angehören, in höherem Ausmaß von sexueller Gewalt bedroht und betroffen sind“ als Kinder aus gesellschaftlich akzeptierten Verhältnissen. Daher sei es im Sinne einer „Vorbeugung von sexueller Gewalt“, wenn trotz geringer Fallzahl „diesen Kindern ein Platz und eine Sichtbarkeit“ gegeben werde.
Es sei aus der Täterforschung bekannt, so argumentieren die Autorinnen weiter, „daß Menschen, die Kinder mißbrauchen, häufig die sexuelle Neugierde der Kinder als Angriffsfläche nutzen“. Daher seien aufgeklärte Kinder vor sexuellen Übergriffen besser geschützt „als Kinder, die erst in der Pubertät Sexualerziehung bekommen“. Damit wendet sich der Verein gegen Vorwürfe der römisch-katholischen Theologin und Juristin Gudrun Kugler, die mit einer Kampagne auf die Broschüre aufmerksam gemacht hatte.
Wo bleibt die Prävention vor Straftaten?
Für Kugler kommt der Ansatz der Sexualprävention in der Broschüre viel zu kurz. „Der Behelf vertritt die Ansicht: Was sich gut anfühlt, ist gut. Den angesprochenen Sechs- bis Zwölfjährigen müsste man jedoch vielmehr vermitteln, was genau der Onkel nicht machen darf“, sagte sie gegenüber dem ORF. Zudem werden in Österreich illegale Maßnahmen, wie die Leihmutterschaft, als normal und gleichwertig gegenüber der normalen Familie dargestellt. In Wirklichkeit ginge es um ideologische Vereinnahmung:
„Wenn in einer Textpassage bemängelt wird, daß sich die klassische Mutter-Vater-Kind-Familie hartnäckig als Ideal hält, so ist das eine ideologische Sichtweise. Dasselbe trifft zu, wenn es als bloße soziale Norm bezeichnet wird, ob ein Baby nach der Geburt Mädchen oder Junge ist. Hier wird Gesellschaftspolitik auf dem Rücken der Volksschüler betrieben.“ Wortwörtlich heißt es in der Broschüre unter anderem:
„Trotz vieler Bearbeitungen von Schulbüchern und sonstigen Medien, die auf die Diversitäten der Lebensformen von jungen Menschen reagieren, hält sich das Bild der klassischen Mutter-Vater-Kind-Familie als anzustrebendes Ideal hartnäckig, ungeachtet der Tatsache, daß knapp die Hälfte aller Kinder in Österreich in anderen Verhältnissen leben. Wir möchten also verschiedene Lebens- und Beziehungsformen gleichberechtigt nebeneinander und zur Diskussion stellen sowie Begriffe wie WIR und IHR, die EINEN und die ANDEREN genauer anschauen und hinterfragen.“ (FA)