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Wer den Postkartenkitsch der Niagara Falls an der US-amerikanisch-kanadischen Grenze satt hat, findet ganz in der Nähe eine weitere Touristenattraktion: Clifton Hill mit seinen fünf Spukhäusern sowie einer spektakulär beleuchteten überdachten Golfanlage. Eine Wunderwelt nicht nur für Paare auf Hochzeitsreisen, für die Niagara Falls ein traditionsreiches Reiseziel ist – und der Ort, wo die kanadischen Melodic-Rocker von Honeymoon Suite (HMS) zu Hause waren, als Manager Steve Prendergast 1982 den Sänger Johnny Dee mit dem Gitarristen Derry Grehan bekannt machte. Jüngst hat die Band ihr bestes Studioalbum in 22 Jahren nach ebendiesem Stadtteil benannt. Erst als Grehan dazustieß, nahm die im Vorjahr von Dee in Toronto gegründete HMS musikalisches Format an. Nicht zum letzten Mal wurde damals die Besetzung rundumerneuert: Dave Betts, der wie Grehan zuvor bei Steve Blinkie and the Reason gespielt hatte, löste Mike Lengyell am Schlagzeug ab, Ray Coburn übernahm die Keyboards. Innerhalb der nächsten zwei Jahre kam die Gruppe in Fahrt und mauserte sich vom Geheimtip zum landesweit bekannten Namen. Dank ihrer erfolgreichen Single „New Girl Now“ erhielt sie einen Plattenvertrag mit WEA Canada und veröffentlichte 1984 ihr Debütalbum „Honeymoon Suite“. Die kabbelige Powerpop-Scheibe verkaufte sich hervorragend, und die Band – ergänzt um Gary Lalonde an der Baßgitarre – durfte nun mit Megastars wie den Kinks, Bryan Adams und Jethro Tull auf Tournee gehen. Die zweite Platte, „The Big Prize“ (WEA, 1986),  brachte musikalisch keine großen Neuerungen, zeugte aber von dem Ehrgeiz, grandios angelegten Stadionrock zu spielen. Dafür wurde HMS mit Lorbeeren aus dem fernen Japan bedacht, wo sie beim World Popular Song Festival in Tokio zur besten Live-Band gekürt wurden. Auch zu Hause gab es einen Preis, den Juno Award für die beste Gruppe des Jahres. Im Laufe der folgenden Jahre schrumpfte das Quintett zum Trio aus Dee, Grehan und Coburn, freie Plätze auf der Bühne oder im Studio wurden je nach Bedarf gefüllt. Entsprechend fehlte den Alben bald alle Kohärenz, neue Studioaufnahmen erschienen nur noch sporadisch, und als 2001 ihre fünfte Platte „Dreamland“ bei Frontiers produziert wurde, waren die Flitterwochen definitiv vorbei: Inzwischen hatte auch Coburn der Band den Rücken gekehrt, und die Verkaufsranglisten nahmen von der Neuerscheinung kaum Notiz. Jetzt sind sie zurück. Nach sieben Jahren hat sich die Band wieder ins Studio gewagt: mitsamt Coburn sowie ihrem alten Produzenten Tom Treumuth. Bei Live-Auftritten sind sogar Lalonde und Betts wieder dabei. Das Ergebnis ist eine appetitanregende Platte neuer Melodic-Pop-Häppchen, die die Würze des klassischen HMS-Sounds bewahren, ohne altbacken zu schmecken. Keyboard-gesättigte Stadion-Nummern aus den 1980ern voller dröhnender Gitarren und bombastischer Schlagzeugklänge sucht man hier vergebens. Statt dessen haben HMS das seltene Kunststück vollbracht, sich ihrer Wurzeln zu besinnen und dabei knackig und zeitgemäß zu klingen.  Bis auf die um ganze neun Sekunden längere sehnsuchtgetriebene Ballade „House“ bleiben alle elf Stücke unter der Vier-Minuten-Marke. Anklänge bei Paul McCartneys Klaviergehämmer und Big-Star-Powerpop garnieren die Single „Tired O’Waiting On You“. Die geschmeidige Ballade „Sunday Morning“ enthält eine Hommage an Kris Kristofferosn Klassiker „Sunday Morning Coming Down“, während das letzte Stück „Separate Lives“ mit Blues-Gitarre, Dees rauh-romantischem Gesang und schimmernder Elektro-Orgel an die großen Delta-Blues-Musiker der Vergangenheit erinnert. Clifton Hill ist allemal eine Reise wert!

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