Wir leben in Zeiten zunehmend ungepflegter Gegensätze. Wer nicht polarisiert, verliert. Es ist eine neue Form des Superlativs und ein untrügliches Zeichen dafür, daß wir uns kolossal langweilen. Ganz im Zeitgeist und dennoch gegen ihn konzipiert ist das deutsch-englische Vierteljahresmagazin für Kunst und Mode, Sleek (dt. gepflegt). Auch in der Kunst hat das Rauschen wie überall zugenommen. Wer in einer medialen Kultur totaler Sichtbarkeit nicht schließlich doch den Orientierungssinn verlieren will, braucht präzise Konzepte, Koordinaten und Konzentration. Nach dem konzeptionell noch suchenden ersten Heft aus dem Winter 2003, ist jede Ausgabe von Sleek seither ein kuratorisches Kleinod unter der strengen, manchmal auch angestrengten, thematischen Klammer eines Gegensatzpaars. Aktuell lautet es: Hide/Seek – Verbergen/Suchen. Das Heft beginnt unter der reichlich untertreibenden Rubrik „Shortcuts“ mit einer Safari durch Kataloge, Netzseiten und Galerien, auf der Suche nach Werken, die dem gestellten Thema eine Facette hinzugewinnen können. Manches, was da in der Botanisiertrommel landet, steht für sich. Anderes ist Schnipsel und Fingerzeig für eigene Erkundungen. Zu den Fundstücken der ersten Sorte gehört William Anastasis Installation „Blind“, die er 1966 konzipierte, aber erst vierzig Jahre später realisierte und die einen Ausstellungsraum darstellt, dessen sämtliche Wände mit dem überdimensionalen Muster eines Tarnanzugs überzogen sind. Überraschendes Ergebnis: Die Räumlichkeit löst sich auf und verschwindet. Nicht nur empfindet sich der Betrachter so, sondern der Raum selbst wird blind. Zu den interessantesten Fundstücken der zweiten Sorte gehört eine Arbeit der amerikanischen Foto-Künstlerin Taryn Simon (geb. 1975). Das Bild – es zeigt die in penibler Ordnung aufgestellten Marihuana-Pflanzen eines, geheimen, dschungelhaft grün und schwarz leuchtenden US-Forschungslabors – entstammt einer unlängst im Frankfurter Museum für Moderne Kunst gezeigten Serie mit dem Titel „An American Index of the Hidden und Unfamiliar“. Es ist ein Katalog von verborgenen, geheimgehaltenen oder tabuisierten Orten und Praktiken Amerikas, die aufschlußreiche Kehrseite der „offenen Gesellschaft“, darunter eine Konservierungseinheit aus dem Kryonischen Institut Michigan, das sich der Erforschung von auf 125 Grad Celsius abgekühlten – auch menschlichen – Organismen widmet, oder ein Operationssaal, in welchem sich eine Frau der operativen Wiederherstellung ihrer Jungfräulichkeit unterzog. Der Hauptteil des Hefts versammelt monographische Foto-Essays unterschiedlicher Qualität und Intensität. Beunruhigend ist die Foto-Arbeit der sich methodisch an Cindy Sherman orientierenden Japanerin Tomoko Sawada (geb. 1977), die sich in 400 verschiedenen Verkleidungen in einem Fotoautomaten fotografieren ließ. Als sie die Serie ausstellte, erkannte sie fast niemand auf den Fotos. So endet zumindest die Erkundung der eigenen Individualität mittels Vervielfältigung in einer noch gesteigerten Selbstverborgenheit – oder in Auflösung. Kontakt: sleek magazine, Brunnenstr. 10, 10119 Berlin. Internet: www.sleek-mag.com. Einzelpreis: 9,50 Euro, Jahresabonnement (4 Hefte) 20 Euro