Dickleibige Kinder und Jugendliche in Großbritannien können erleichtert aufatmen: Erstmals bringt die Kaufhauskette „Bhs“ Schuluniformen in Übergrößen auf den Markt und beendet damit die bislang wie ein Alpdruck auf den Sommerferien lastende Suche nach etwas Passendem, die in der Vergangenheit nicht nur Zeit und Kraft kostete, sondern den Betroffenen auch das demütigende Gefühl vermittelte, sie seien Außenseiter der Gesellschaft. Genau das sind sie nämlich nicht: Jeder dritte britische Heranwachsende gilt heute bereits als extrem übergewichtig, und das Wachstumspotential dieser respektablen Minderheit dürfte noch längst nicht ausgeschöpft sein. Da dieser Trend gar nicht so neu ist, überrascht es, daß sich Unternehmen erst jetzt mit maßgeschneiderten Angeboten an diese Zielgruppe wenden. Möglicherweise haben gesundheitsideologische Scheuklappen eine maßgebliche Rolle für den Zeitverzug in der Wahrnehmung von Konsumentenbedürfnissen gespielt. Dickleibigkeit, nicht allein von jungen Menschen, ist immer noch verpönt, obgleich sie längst ein Massenphänomen geworden ist. Die Wirtschaft jedoch muß allein schon aus Umsatzinteresse hier Neutralität wahren und allen Einflüsterungen selbsternannter Gesundheitsexperten zum Trotz die Menschen so respektieren, wie sie aus eigenem Antrieb nun einmal sind. Gleiches sollte auch für Politiker gelten, die dem demokratischen Leitbild der individuellen Selbstbestimmung verpflichtet sind. Natürlich lassen sich medizinische Gründe dafür anführen, daß Übergewicht nicht empfehlenswert ist. Niemand hat jedoch das Recht, anderen ein schlechtes Gewissen einzureden, weil sie sich gerne durch reichhaltige Kost ernähren und keine Freude an nicht notwendiger Bewegung empfinden. Zudem sollte bedacht werden, daß Idealvorstellungen von Gewicht, Figur und Ernährung relativ sind und jene, die in unserer Gesellschaft immer noch vorherrschen, aus einer Epoche stammen, in der die Menschen körperlicher Fitneß bedurften, um ihren Alltag bewältigen zu können. In einer digitalisierten Welt sind jedoch ganz andere Fertigkeiten als Gewandtheit oder Ausdauer gefragt. Nicht zuletzt gilt es auch, den inneren Frieden unserer Gesellschaft in die Betrachtung einzubeziehen. Der zunehmenden Gewalt an Schulen etwa könnte am einfachsten dadurch entgegengewirkt werden, daß man Jugendliche zum Verzehr von Fast Food anleitet, statt ihnen diesen zu vergällen. Wer nahezu bewegungsunfähig ist, kann schließlich auch nicht mehr zuschlagen.
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