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Gegen die Angst hilft Geometrie

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Das Publikum ist unberechenbar. In Karlsruhe wurde Denis Krief bislang nach jedem "Ring"-Abend mindestens mit freundlichem Applaus bedacht – nach der Premiere der "Götterdämmerung" vorigen Samstag aber erntete der Regisseur, der zugleich für die gesamte Ausstattung des Werks verantwortlich zeichnete, neben Jubel auch einen ziemlichen Proteststurm.

Waren das nun jene, denen Kriefs Arbeit zu konventionell, zu wenig wagemutig, zu brav war? Oder empörten sich eher jene, denen die Inszenierung dem Werk gegenüber schon zu abseitig schien? Womöglich erwuchs der Protest auch schlicht dem Umstand, daß Krief den Weltenbrand am Ende nicht mit dem ganz großen Theaterdonner auf die Bretter wuchtete – den Videoprojektionen, die das Geschehen mehr anmuteten als szenisch monumental zu beglaubigen suchten, fehlte zudem der Überraschungseffekt, da Krief die elementaren Urmuster von Feuer und Wasser bereits vorgängig recht oft ins (Bühnen-) Bild rückte.

Man hätte es ahnen können, denn bereits von "Rheingold" bis "Siegfried" entwickelte Krief eine Grammatik der Andeutung, die dem Zuschauer weder schräges Regietheater noch Bärenfellromantik satt entbot, selbst wenn mit einigen Versatzstücken aus beiden Bereichen gearbeitet wurde. Krief formuliert Bilder zur Wagnerschen Weltenwirklichkeit, die den Mythos möglichst nicht verstellen oder übertünchen. Deswegen läßt sich der Karlsruher "Ring" optisch auch in keiner bestimmten Zeit verorten, sondern bestenfalls zwischen geometrischen Formen und archaischen Mustern. Ein Orakulum von Heiner Müller (im Programmheft nachzulesen) mag dabei Pate gestanden haben: Theater und Oper finde "immer statt zwischen den Koordinaten von Angst und Geometrie". Und Geometrie sei immer gut als Auffangbecken für die Angst – Kreis, Kubus und Kisten bestimmen in diesem Sinne sprichwörtlich Kriefs Bühne. In den Kisten wird zum Schluß das mumifizierte Mythen- und Menschenpersonal des "Rings" bis zum Zusammenbruch über die Drehbühne gejagt; die alte Ordnung ist am Ende.

Fast zwangsläufig verweist die strenge, mitunter asketische Optik den Blick auf die einzelnen Protagonisten – nachdem im "Siegfried" die Personenregie zu viele Fragen offenließ, liefert Krief in der "Götterdämmerung" nun überzeugende Lösungen.

Musikalisch stellt der Abend die Leistungsfähigkeit des Karlsruher Staatstheaters erneut unter Beweis, denn bis auf die über sich hinauswachsende Brünnhilde von Caroline Whisnant, deren Stimme noch im Schlußgesang ohne Verschleißerscheinungen sämtliche Hürden souverän bewältigte, und Stefan Stoll als kraftvollen Alberich, ist diese "Götterdämmerung" vollständig aus dem eigenen Ensemble besetzt, ohne daß auch nur ein Ausreißer zu beklagen wäre. Besonders erwähnenswert: Hagen, dem durch Ulrich Schreiber ein markantes vokales Charakterprofil zuwuchs, Edith Haller als eine stimmlich jugendliche, anrührende Gutrune und natürlich Lance Ryan in der Partie des Siegfried – auch er ging seine Rolle bemerkenswert unangestrengt und mit Strahlkraft durch.

In manchen Details nicht ganz perfekt, aber in gekonnter Kombination aus epischer Anlage und durchgehaltenen Spannungsbögen trug die Badische Staatskapelle unter Generalmusikdirektor Anthony Bramall ihren Teil zum Erfolg dieses Abends bei.

Die nächste Vorstellung der "Götterdämmerung" im Badischen Staatstheater Karlsruhe, Baumeisterstr. 11, findet statt am 14. Januar um 17 Uhr. Telefon: 07 21 / 35 57-0

Foto: Siegfried (Lance Ryan), Brünnhilde (Caroline Whisnant): Weder Regietheater noch Bärenfellromantik

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