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Erinnerung auf deutsch-russisch

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Im heutigen Rußland ist eine Auseinandersetzung mit dem Stalinismus einigermaßen unüblich – erst recht unter Wladimir Putin, wo auch Stalin als Faktor großer Nationalgeschichte nicht mehr als unschick gilt. Um so mehr Gewicht gewinnt daher die Arbeit der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial. Unter der Leitung von Irina Scherbakowa, Professorin für Zeitgeschichte an der Moskauer Afanassjew-Universität, wird seit 1999 der Geschichtswettbewerb „Der Mensch in der Geschichte – Rußland im 20. Jahrhundert“ für Jugendliche veranstaltet. In Zusammenarbeit mit der deutschen Körber-Stiftung wurden Beiträge deutscher und russischer Schüler über Schicksale in der Stalinzeit ausgewählt und unter dem Titel „Unruhige Zeiten. Lebensgeschichten aus Rußland und Deutschland“ veröffentlicht. Scherbakowa wählte einen sehr persönlichen Zugang. Bereits Ende der siebziger Jahre begann sie Telefonbandinterviews mit Opfern des Stalinismus aufzuzeichnen. Diese vom wissenschaftlichen Standpunkt aus heikle Methode – jeder Historiker weiß um den fragwürdigen Wert von Zeugenaussagen – ergibt aber gerade die Stärke des Buchs. Denn es geht hier nicht um eine historisch-kritische Geschichtsbetrachtung, sondern um die Begegnung der Generationen im Gespräch. Wie wichtig diese unmittelbare Begegnung ist, wird durch das Buch ersichtlich. Während im Vorwort Wolfgang Büscher noch den obligatorischen Verweis liefert, daß „die Deutschen den Russen sicher mehr als umgekehrt“ angetan hätten, wird in den Beiträgen der Jugendlichen diese Täter-Opfer-Denkschablone hinfällig. Hier tritt der Mensch mit seinem individuellen, persönlichen Schicksal in den Vordergrund. Diese Anteilnahme ist für die kommende Generation wichtiger als politische Meinungen. Dadurch aber, daß man die Opfer nicht als ein – je nach politischer Richtung erwünschtes oder unerwünschtes – Produkt begreift, sondern in ihrem Dasein als Menschen ernst nimmt, geben diese jugendlichen Gesprächspartner der sterbenden Generation auch etwas wieder. Etwas, was zum Sterben so notwendig ist wie zum Leben – ihre Würde. Irina Scherbakowa (Hrsg.): Unruhige Zeiten. Begegnungen mit deutsch-russischer Geschichte. Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2006, kartoniert, 330 Seiten, Abbildungen, 14 Euro

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