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Der Favorit der Päpste

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Der Favorit der Päpste

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Es ist früh am Morgen. Noch liegt die Kühle der Nacht über dem Petersplatz in Rom. Nur langsam im steigenden Licht der Sonne erhellt sich die Kuppel von Sankt Peter, schwebt wie eine gewaltige steinerne Frucht über Rom. Noch ist der Platz menschenleer, man vermeint das Rauschen der Fontänen zu verspüren. Nur ein vereinzelter Priester durchquert die schweren Kolonnaden, dieses gewaltige dramatische Rund, das den riesigen Petersplatz umrahmt. Diese großartige architektonische Inszenierung, die hinstrebt auf den Eingang von Sankt Peter, wo Sonntag für Sonntag Tausende von Pilgern und Gläubigen sich versammeln, um dem Angelus von Papst Benedikt XVI. zu hören, wurde geschaffen von Gianlorenzo Bernini (1598-1680). Er war der größte Baumeister und Bildhauer des Barock, ein genialer Künstler, der wie kein anderer die Kunst der jubilierenden Freude des Glaubens in sich trug und sie auch mit seiner Genialität und größter Leidenschaft in der „heiligen Stadt“ Rom verwirklichen konnte. Es gibt einen Plan von Bernini, auf dem die beiden Kolonnaden durch eine dritte ergänzt werden, die den Petersplatz vollständig abriegeln sollte. Glücklicherweise wurde er nicht verwirklicht, denn durch diese beiden offenen Flanken unterstreicht Bernini den Triumph der Kirche und den katholischen Himmel, der über Rom schwebt. Denn in jener Zeit waren die Päpste, die großen Herrscher Roms, nicht nur mit Machtfülle, sondern auch mit Reichtum ausgestattet. Sie waren die wahren Mäzene, die die größten Künstler ihrer Zeit nach Rom holten und förderten, indem sie sie mit immer neuen Bau-Aufträgen überhäuften. Bernini, der Baumeister und Bildhauer, war zeitlebens der große Favorit der Päpste. Der Künstler dankte es ihnen über sein Werk hinaus, indem er ihre Wappen an Palästen, Kirchen und Bildwerken anbrachte. So schuf Bernini unter den Päpsten Urban VIII. (1623-1644, einem Barberini, im Wappen drei Bienen), Innozenz X. (1644-1655, aus der Familie der Pamphilj, im Wappen eine Taube mit Zweig und Linien) und Alexander VII. (1655-1667, einem Chigi, im Wappen Baum, Sterne und Hügelkuppen) eine immense Fülle von Meisterwerken. Nur zwei Menschenalter nach Michelangelos Tod trat erneut ein künstlerisches Genie in Rom auf. Unter Bernini wird maßgeblich der Barock die Kunst Roms, Rom eine barocke Stadt. Es gibt im Grunde kein barockes Stadtviertel, sondern alle Stadtviertel werden barockisiert. Immer mehr Kuppeln wölben sich in den ewig blauen römischen Himmel empor, immer mehr Fassaden werden üppig verziert, immer mehr Brunnen durchrauschen Rom, immer mehr Straßendurchbrüche eröffnen neue Perspektiven. Das barocke Rom jubiliert, und Gianlorenzo Bernini ist sein Schöpfer, zeitlebens von dem Gedanken beseelt, noch besser, noch schöner, noch gewaltiger zu bauen. Sein Leben war ein einziges Suchen nach Vollendung. Von Anfang an verfolgte er seinen Traum von einer gewaltigen barocken Stadt. Ganz Rom lag in seiner Hand, und es ist vor allem dieses Barocke, das Jahr für Jahr Millionen Touristen in die italienische Hauptstadt treibt. Angesichts dieser Pracht staunt man im 21. Jahrhundert und kann sich kaum vorstellen, daß je ein menschlicher Geist diese Vielzahl von Monumentalwerken schaffen konnte. Gianlorenzo Bernini wurde am 7. Dezember 1598 in Neapel geboren. Wenige Jahre später zog die Familie nach Rom, wo sein Vater Pietro Bernini, ein guter und tüchtiger Bildhauer im Dienste Papst Pauls V. Arbeit gefunden hatte. Aus seiner Werkstatt stammt der legendäre Barca-Brunnen am Fuße der Spanischen Treppe, dem „schönsten Kontakthof Roms“, wo sich stets junge Leute aus aller Welt auf den Stufen versammeln. Hier bleibt keiner lange allein. In diesem steinernen Juwel baden jetzt im tropenheißen Rom sehr zum Leidwesen der Kunstliebhaber und unter den Blicken von Carabinieri und Polizisten die Touristen aus aller Welt ihre Füße. Die Toleranz der Römer ist groß. Berninis Vater sollte damals im Auftrag des Papstes mit diesem Brunnen an das Schiffswrack erinnern, das bei der großen Tiber-Überschwemmung von 1588 bis zu dieser Stelle getrieben worden war. Die Römer nennen ihn liebevoll Barcaccai (alter Kahn). In der Werkstatt seines Vaters wurde schon sehr früh die Begabung des jungen Gianlorenzo entdeckt und vom Vater gefördert. Es gab keine Rivalität zwischen Vater und Sohn, im Gegenteil. Bald wurde Bernini dem Pontifex als Wunderknabe vorgeführt. Als Kind, später als Jüngling zog es ihn immer wieder in die berühmte Antikensammlung im Vatikan, wo er stundenlang vor den Büsten und Statuen wie festgenagelt saß und zeichnete. Packenweise sind seine Zeichnungen aus jener Zeit überliefert. Bernini schien von Anfang an zu Großem berufen, schnell stieg er aus dem Schatten seines Vaters. So wundert es nicht, daß dieser vielseitige Künstler nicht nur ein großer Bildhauer, Dekorateur und Maler war, der die Grenzen zwischen Architektur und Skulptur spielend aufhob, sondern auch ein genialer „Regisseur“. Denn nur ein paar Schritte vom Vatikan entfernt, die breite Via della Concilazione hinunter, trifft der Besucher auf die Engelsbrücke, die das Altstadtufer und den Kirchenstaat verbindet. Sie ist die schönste der römischen Brücken über den Tiber. Schon Kaiser Hadrian ließ sie im Jahre 136 n. Chr. als Zugang zum Mausoleum über den Fluß schlagen, doch erst Bernini verwandelte sie in eine Bühne für das große Welttheater, in dem er die antike Brücke mit steinernen Statuen von Petrus und Paulus sowie zehn flügelschlagenden Marmor-Engeln schmückte. Hier überschritten die Päpste den Fluß, um Stadt und Kirche, Himmel und Erde symbolisch zu vermählen. Wenn am Abend in Rom die Sonne untergeht und die triumphierenden Engel sich als dunkle Silhouetten über dem breiten trägen Fluß abheben, meint man in einer Opern-Inszenierung gelandet zu sein. Am Tag allerdings ist die Engelsbrücke der große Umschlagplatz für gefälschten Luxus. Senegalesen, Inder und Chinesen breiten auf Tüchern ihre Ware aus: gefälschte Uhren, und vor allem Taschen der Luxuskategorie: Gucci, Fendi und Prada. Die falsche Welt des schönen Scheins wird hier dargeboten. Immer wieder gibt es Razzien durch die Guardia di Finanza, doch das Geschäft der Markenpiraten unter den Bernini-Engeln blüht weiter. Über die Brücke geht es in die Altstadt, durch die engen Straßen hin zum Herzstück von Rom, auf die Piazza Navona. Jetzt, am frühen Nachmittag, wenn die sengende Glut der Sonne ein wenig nachgelassen hat, vermischt sich das Gekreische der Möwen mit dem vielstimmigen Kindergeschrei, das widerhallt von den Fassaden der großen Palazzi. Diese Piazza ist der schönste Spielplatz Roms für die Kleinen, die hier im historischen Viertel leben. Beaufsichtigt von Großmüttern und Kindermädchen, die auf den steinernen Bänken wachen, während die Touristen in umliegenden Restaurants und Cafés bei überteuerten Preisen diese einmalige Weltbühne genießen. Denn in der Mitte dieses Ovals – einst war diese Piazza ein Wagenrenn-Stadion von Kaiser Domitian – steht Berninis festlicher Vier-Flüsse-Brunnen. Er ist nicht nur ein künstlerisches Meisterwerk, sondern auch eines der Statik. Auf einem durchhöhlten Felsstück ragt der Obelisk aus dem Isis-Tempel Domitians in die Höhe, flankiert von den vier Weltflüssen: Gewaltige barocke Gestalten, die mit ausholenden Bewegungen die Donau, den Nil, den Ganges und den Rio della Plata darstellen – Symbole für die damals bekannten vier Erdteile, die unter der Friedenstaube des Pamphili-Wappens sich hier versammeln. Dramatisch schießen die Wassermassen nach einem sorgfältig geplanten System in den Riesenbrunnen. Dieser Brunnen steht ausgerechnet vor der barocken Fassade von Sant Agnese, einem Meisterwerk von Francesco Borromini (1599-1667 ), dem immerwährenden Rivalen von Bernini. Das barocke Rom hätte nie seine Vollendung erlebt, hätte es nicht diesen ewigen Widerstreit zweier außerordentlicher Künstler gegeben. Sie waren beide Genies, nur Bernini hatte die besseren Karten, konnte bei seinen päpstlichen Gönnern mehr Sympathie erwecken, während Borromini in seiner Düsterheit im Freitod endete. Bernini schien mit unglaublicher Energie und Schaffenskraft ausgestattet. Er schuf nicht nur gewaltige Skulpturen, Grabmäler (wie das von Alexander VII.) in Sankt Peter, unzählige Marmorbüsten, in denen er seine Figuren aus einem Block schlug und in schier unerschöpflichen Varianten vollendete. Kleinlich und fast besessen achtete er auf alle Details des Umfeldes, in dem seine Skulpturen aufgestellt wurden. Berninis künstlerische Ausdruckskraft spiegelt sich nicht nur in seinen Porträts, seinen liebevoll gestalteten Bozetti, die man in großer Fülle in der Villa Borghese besichtigen kann, sondern reicht bis in seine nach eigenen Entwürfen gestalteten Möbel und prunkenden Accessoires, wie zum Beispiel gewaltige Kerzenleuchter in Form eines Widderkopfes. In seinen Marmorbüsten ließen sich die Gönner Berninis – Päpste und Fürsten – verewigen. Gewaltig und imposant, die Lippen gleichsam zum Sprechen angesetzt, hauchte der Künstler den abgebildeten Personen nicht nur Leben, sondern auch Pathos ein. Leuchtendes Beispiel ist dafür die gewaltige Porträtbüste des Francesco I. d’Este mit wallender Lockenfülle, hohem, fein in Marmor ziseliertem Spitzenkragen und dramatischen Faltenwürfen. Mit scharf geschnittenen Zügen im Halbprofil wirkt der Abgebildete so gewaltig wie der Sonnenkönig, dabei war er doch „nur“ ein Edler aus Mantua. Selbst in den kleinsten Skulpturen spürt man die Vision, die Bernini beseelte. Dieser Künstler, der ganz Rom umbaute, wählte den Quirinal, um sein letztes architektonisches Werk zu schaffen: San Andrea al Quirinale. Für ihn blieb diese Kirche das Werk der höchsten Vollendung in dieser geraden konventionellen Straße. Dieses ehe kleine Gotteshaus mit seinem purpurroten Gestühl erweist sich in der Form einer Elipse, die den Eindruck von großer Weite und harmonischer Höhe vermittelt. Der Kirchenraum ist erfüllt von blaugrauen und rötlich-braunen sowie goldenen Farben. Diese Kirche berührt eigenartig, man spürt, daß hier Bernini die genaue Balance zwischen Schwere und Kraft in vollendeter Harmonie gefunden hat. Wie seine Biographen berichten, stand der Künstler hier oft am Abend, schaute sehnsuchtsvoll vom Quirinalhügel hinüber auf die Kuppel von Sankt Peter, hinab auf die Kolonnaden. Hier verlief der Bogen seines Künstlerlebens. Diese Straße beherbergt alles. Auch Borromini verewigte sich hier: schuf San Carlo alle Guatro Fontane, so daß die Besucher die beiden Meister unmittelbar in ihren Werken vergleichen können. Und am Ende dieser Straße trifft man auf die Kirche Santa Maria della Vittoria, wo Bernini eines seiner vollkommensten Kunstensembles schuf: „Die Verzückung der Heilige Teresa“, das Idealbild barocker Kapellenarchitektur. Diese dreieinhalb Meter hohe Figur bietet sich so in voller Kraft und Anmut dar, in ihr beginnt der kalte weiße Marmor zu vibrieren, zu tanzen. Tag für Tag stehen die Besucher vor diesem dramatischen Ensemble, das bis heute in Bann schlägt und eine winzige Ahnung von diesem Genie vermittelt. Er war ein Stern, der in Rom in seiner Arbeit verglühte. Begraben wurde Bernini „beim Schein von vier Kerzen“ in der Familiengruft in Santa Maria Maggiore in Rom. Bernini, „Die Selige Ludovica Albertoni“ (Ausschnitt, 1674) Piazza di S. Pietro (Petersplatz) in Rom, 1656 bis 1667 angelegt von Gianlorenzo Bernini: Noch besser, schöner, gewaltiger bauen Teilansicht von Berninis Vier-Flüsse-Brunnen in der Mitte der Piazza Navona in Rom: Meisterwerk hochbarocker Plastik Literatur: Arne Karsten: Bernini. Der Schöpfer des barocken Rom, C.H. Beck, München 2006, gebunden, 271 Seiten, 51 Abbildungen, 1 Karte, 24,90 Euro

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