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Ausdruck des Universalen

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Wie ein roter Faden“, so Erich Hubala, „zieht sich durch die Kunstgeschichte des 17. Jahrhunderts der Versuch großer Künstler, den Kontrast zwischen Macht und Ordnung, Schönheit und Notwendigkeit, Pathos und Ethos in einer Synthese aufzuheben.“ Greifbar wird dieser Impuls im Genie Fischer von Erlachs, der vor 350 Jahren geboren wurde und maßgeblich das barocke Wien geschaffen hat. Fischer hat die beiden Architektursysteme der Zeit: römisches Hochbarock und Pariser Klassik schöpferisch transformiert zur österreichischen Barockkultur, einer mitteleuropäischen Idee und repräsentativen Ausdrucksform für Kaiser und Reich. So entfalten Palast- und Kirchenbau der Habsburger – nach Dreißigjährigem Krieg (1648) und Türkenbefreiung (1683) – eine sinnfällige Symbolik in der Strukturierung des öffentlichen Raums. Solche Idealität und monumentale Kraft nehmen sich aus dem Blickwinkel moderner Schwundästhetik besonders drastisch aus: „Überhaupt gibt es in der Welt seit der großen Kulturkrise der Französischen Revolution nur noch mäßige und schlechte offizielle Kunst, aber keine echte Repräsentation mehr als Ausdruck einer staatlichen und kulturellen Einheit“ (Th. Hetzer). An Fischers Bauten läßt sich zeigen, wie einst urbane Topographie die Wirklichkeit symbolisch geordnet, Geschichte erschlossen und zugleich einem übernatürlichen Regulativ unterstellt hat. Ihre Gestalt entspringt dem Zusammenspiel von Zweck, Form und Sinn im Rahmen eines Weltbildes, das Künstler, Bauherr, Klerus und Volk gemeinsam war. Das machte Kulturlandschaften wie die städtische Lebenswelt zu ebenso reichen wie subtilen „Texten“, die – trotz gelehrter Winke und esoterischer Anspielungen – für alle Beteiligten „lesbar“ blieben,- zu Resultaten einer vielschichtigen und doch zentrierten, gemeinschaftlich ausgelegten Realität. Als Hauptwerk Fischers gilt die Wiener Karlskirche, von 1716 bis 1737 in der Wiener Vorstadt erbaut. Das mächtige Gotteshaus stellt sich dar als vielgliedriger Baukörper: Wir erleben eine komplexe Anlage, die nicht nur unterschiedliche Formen, Bildprogramme und Sinnschichten vereint, sondern auch mehrere Wahrnehmungssysteme überblendet. Dem mächtigen Zentralbau, einem überkuppelten Oval, geht westlich eine monumentale Schauseite voran. Von ihr aus ist die Karlskirche als Außengestalt konzipiert. Diese breit hingelagerte Querachse erwächst aus Vorhalle samt Portikus, einem griechischen Tempelbau, den mächtige Rundsäulen flankieren; die konkav einschwingenden Seitenarme gestalteten sich aus zu markanten Eckpavillons, den Glockentürmen samt Tordurchfahrten. Dies Komplexbild einer sakralen „Triumphpforte“ vereinigt den Votivbau mit der Apotheose seines Erbauers. Den im Pestjahr 1713 von Karl VI. gelobten Bau errang Fischers Entwurf (gegen Hildebrandt und Bibiena). 1716 war Grundsteinlegung und 1737 die Weihe. Verschränken sich nun drei Wahrnehmungsmuster, die vertikal, horizontal und in der Tiefe den Bau ausloten, so vernetzt das Bildprogramm unterschiedliche Aspekte, so: die Anbetung des Borromäus, den salomonischen Tempel, das antike Rom, Karl V. und sein Weltreich mit dem universalen Anspruch Habsburgs. Dies läßt sich einzeln „decodieren“. Doch fassen die beiden gewaltigen Säulenkandelaber alle Ideen in sich, verkörpern sie doch emblematisch Festigkeit und Mut. Sie rühmen den Heiligen und Patron des Kaisers, dann dessen Wahlspruch ebenso wie Salomos Tempel und auch des Herkules‘ Weltsäulen. Nicht genug, führte Karl V. sie im Wappen, den eschatologischen Anspruch seines Reichs zu demonstrieren. Den erneuerten die Habsburger nun mit großer Geste, den Verlust Spaniens (1714) zurückweisend. Die grandiose Karlskirche bildet den Zielpunkt einer Blickachse, die zur Hofburg führt. Dort schuf der alte Fischer die Hofbibliothek, deren „Kaiserstil“ ein Gegenstück realisiert zur großen Galerie in Versailles, in Wien aber das weltliche Komplement zur Borromäuskirche bildet. Dem ovalen Innenraum liegt die Pantheon-Idee zugrunde, ausgedeutet als „Bibliothekstempel“ und Ruhmeshalle für den Fürsten. Tatsächlich erscheint Karl VI. mythologisch gewandet als Herkules, der Musenführer. War in der Karlskirche die Kuppel der Borromäus-Glorie vorbehalten, versammeln hier die Künstler einen festlichen Reigen zum Ruhm des Hauses Österreich. Der am 20. Juli 1656 in Graz geborene Johann Bernhard Fischer von Erlach studierte in Rom, bevor er als Bildhauer und Baumeister in Salzburg, dann in Wien tätig wurde. Geistesgeschichtlich bedeutsam wurde sein utopischer Entwurf für den Palastbau von Schönbrunn, dessen gewaltige Ausmaße und Programmatik den habsburgischen Anspruch in Europa dokumentierten. Neben dessen realem Bau hat Fischer auch die wichtigsten Adelspaläste in Wien geschaffen. Dort starb er 1723. Vieles vollendete sein Sohn, Joseph Emanuel (†1742), der auch Maria Theresia noch erlebt hat. Ihr Wien, sagt Carl J. Burckhardt, „stand in einem großen Lebenszusammenhang, der von Neapel über Rom nach Mailand, über Brüssel und Antwerpen führte; Madrid war unvergessen im Geist dazugehörig, und das war die wirkliche Welt der Barockkultur, die im wesentlichen habsburgisch gegenreformatorisch ist. Festlich war dies alles, und nichts ist festlicher als Österreich im 17. und 18. Jahrhundert: als Wien“. Foto: Karlskirche in Wien, geweiht 1737: Zielpunkt einer Blickachse, die zur Hofburg führt

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