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Pankraz, Ptahhotep und der Consulter als grüner Stein

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Rat zu geben, das ist das dümmste Handwerk, das einer betreiben kann." Dieser Satz fällt in Goethes "Wahlverwandtschaften", und man sieht an ihm, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Heute ist Ratgeberei ("Consulting") eine Wachstumsbranche mit stabilen Zuwachsraten und phantastischen Jahresumsätzen. "Consulting"-Agenturen schießen wie die sprichwörtlichen Pilze aus dem Mutterboden der Republik und überziehen vor allem die Politik mit ihrem Schimmel.

Pilze sind ein untrügliches Kennzeichen für Verfall. Überall, wo etwas abstirbt und vor sich hinfault, sind sie zur Stelle und betreiben ihr schmarotzerisches Handwerk. Sie leben von Krankheitskeimen und Leichenteilen, und so auch die "Consulter". Wenn jemandem pure Selbstverständlichkeiten zum "Problem" werden, wenn jemand buchstäblich nicht mehr weiß, wie man beim Gehen einen Fuß vor den anderen setzt, kommen die "Consulter" und verkaufen für horrende Summen, was sich eigentlich von selbst versteht.

Die Affäre um die Bundesanstalt für Arbeit und ihre ominösen Beraterverträge zwecks Imageverbesserung liefert dafür das Paradebeispiel. An sich braucht ein staatliches Arbeitsamt keine Beratung, um sein Image aufzubessern. Sein Image, sein Ruf, ergibt sich aus seiner Effizienz. Wenn es gut arbeitet, erschallt der Ruf ganz von allein wie Donnerhall.

Wenn es aber schlecht arbeitet, hilft auch die teuerste Imageberatung nichts. Sie nützt weder den Angestellten des Arbeitsamts noch gar den Arbeitslosen, sondern einzig den "Consultern", die freilich häufig (und so auch im Falle der Gerster-Truppe) teilweise identisch sind mit denen, die "beraten" werden wollen. Dieselben leitenden Herrschaften, die im Aufsichtsgremium des Arbeitsamts sitzen, sitzen auch im Aufsichtsrat der "Consulting"-Firma, die die Summe einsteckt.

Consulter" und Auftraggeber sind miteinander kurzgeschlossen, d. h. die Pilze haben jeweils bereits zu arbeiten angefangen, noch bevor der Auftrag erteilt wird. Sieht man sich das Personal umsatzstarker "Consulting"-Firmen an, so entdeckt man in der Regel, daß es zum guten Teil aus einst mächtigen, jetzt abgehalfterten bzw. pensionierten Politikern oder Medienfürsten besteht, die nun das in ihrer aktiven Zeit erworbene Herrschaftswissen eifrig zu Geld machen. Das nennen sie dann "Beratung".

Sachberatung ist aber ihr Ding nicht. Vielmehr "lassen sie ihre Beziehungen spielen", sie "aktivieren alte Bekanntschaften", sie "vernetzen die Kanäle". Und immer geht es exklusiv ums Image, nicht um die Sachen selbst, nicht um Sein, sondern um Schein. Primär wichtig ist, daß einer ins Fernsehen kommt und dort einige Phrasen ablassen kann. Dafür muß er zahlen.

Andere müssen dafür zahlen, daß sie mit "wichtigen, einflußreichen Persönlichkeiten" zusammengebracht werden, daß sie einigermaßen häufig in irgendwelchen Kladden, "Pressemappen", genannt werden, die man sogenannten Entscheidungsträgern allmorgendlich auf den Schreibtisch legt, oder daß sie über gewisse "Codes" aufgeklärt werden, die man bedienen muß, um Eingang in exklusive Zirkel zu finden. Mit Ratgeben im klassischen Sinne hat das faktisch nichts mehr zu tun. Die modernen "Consulter" tragen nicht zur Lösung von Problemen bei, sondern sie sind – und zwar an zentraler Stelle – Teil des Problems, das gelöst werden müßte.

Wie konnte es so weit kommen? Warum wollen alle Welt und speziell die sogenannten Eliten "beraten" werden und sind bereit, dafür viel, viel Geld abzuführen? Mit bloßer kreuzweiser Korruption allein und der Sucht nach Geldvermehrung bei minimalem geistigen Aufwand ist wohl nicht alles erklärt. Hinzu tritt die durch die 68er-"Revolution" ausgelöste allgemeine geistige Verunsicherung. Man hat das Niveau resolut gesenkt, aber gleichzeitig den Glauben an die angebliche Allzuständigkeit der "Wissenschaft" bis ins Unermeßliche vorgetrieben. Nun steckt man im Dilemma.

Da man sich selber (zu Recht) für dumm hält und die Ignoranz für einen Normalzustand auch und gerade unter Entscheidungsträgern, setzt man alle verbliebene Hoffnung auf die "wissenschaftlichen" Spezialisten, die es angeblich für sämtliche Lebenslagen und besonders für die Politik gibt. Das hat zusätzlich den Vorteil, daß man sich gegebenenfalls vor der Verantwortung drücken kann. Man hat es ja so gut gemeint, man hat für gutes Geld (das Geld des Steuerzahlers) die teuersten Spezialisten als Problemlöser eingekauft – wenn es nun trotzdem schiefgeht, dann kann das nur an der Einwirkung höherer Kräfte liegen, an der Klimakatastrophe etwa, am internationalen Terrorismus oder an sonstwas. Man selbst jedenfalls ist dafür nicht verantwortlich.

So also sieht unser Beraterbetrieb heute aus: Man schiebt sich hohe Summen zu für die Anhörung purer Banalitäten, und verantwortlich ist dadurch niemand mehr. Pankraz empfiehlt zur Remedur solcher Perversionen dringend die Neulektüre eines sehr alten Dokuments, das übrigens als Urtext des Politologie gelten könnte; gemeint ist das ägyptische "Weisheitsbuch des Ptahhotep", das im Jahre 2650 v. Chr. während der fünften Dynastie entstand und dessen Kernlehren unverändert gültig sind.

Ptahhotep war, wenn man will, der erste "Consulter" der Weltgeschichte. Er schrieb sein Werk im Auftrag des Pharao Esse und bekam dafür ein fürstliches Honorar. Eine seiner Hauptsentenzen lautet folgendermaßen: "Sei nicht stolz auf dein eigenes Wissen, aber mißtraue auch dem Wissen der Gelehrten. Hole dir Rat bei den Wissenden wie bei den Unwissenden, denn es gibt keine Grenze für richtiges Handeln, und kein Handelnder besitzt Vollkommenheit. Ein guter Rat ist versteckter als der grüne Edelstein, und doch kann man den manchmal sogar bei den Sklavinnen über den Mühlsteinen finden."

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