Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hatte Fernandel in Frankreich bereits über vierzig Filme gedreht. Regisseure wie Julien Duvivier und Jean Renoir waren von dem „Komiker mit dem Pferdegesicht“, wie er von der französischen Presse und seinem Publikum liebevoll genannt wurde, begeistert. Eine lange und fruchtbare Freundschaft verband ihn auch mit Jean Gabin, mit dem er in „Paris-Béguin“ (1931) zusammenspielte. Dem deutschen Publikum wurde er erstmals 1932 in einer seiner frühen Varianten als kecker „Damenfriseur“ bekannt. Als seine Popularität Anfang der fünfziger Jahre durch die Rolle des „Don Camillo“ noch einmal einen enormen Schub erhielt, war er für das Kinopublikum längst kein Unbekannter mehr. Insgesamt drehte Fernandel 125 Filme, stand in ernsten und lustigen Stücken auf der Bühne und nahm sogar Schallplatten auf. Fernandel, der eigentlich Ferdinand Joseph Desire Contandin hieß, wurde am 8. Mai 1903 in Marseille geboren. Schon früh war klar, daß er ein Talent für die Schauspielerei hatte. Allerdings dachte er selbst eher an Theater und Gesang. Nachdem er bereits mit fünf Jahren auf der Märchenbühne gestanden hatte, trat er als Jugendlicher vor französischen Kriegsversehrten auf. Yves Allégret entdeckte den jungen Mann dann für den Film, und 1930 durfte er seine erste kleine Rolle als Page in Robert Floreys „Le Blanc et le Noir“ spielen. Seit dieser Zeit nannte man ihn in ganz Frankreich nur noch Fernandel. Dies war die phonetische Umschreibung von „Fernand d’Elle“, da ihn seine Schwiegermutter stets mit dem Satz „Té, voilà le Fernand d’Elle“ zu begrüßen pflegte. Auf Deutsch etwa: „Da kommt ja unser Ferdi!“ Einer der größten Erfolge der Nachkriegszeit wurde Claude Autant-Laras Film „Die rote Herberge“ (1950/51). Fernandel spielte einen Mönch, dem die Herbergsmutter einer heruntergekommenen Absteige im Frankreich des 19. Jahrhunderts gesteht, daß sie zur Aufbesserung ihrer Finanzen ihre Gäste umzubringen pflegt. Mit großem Geschick versucht der Mönch nun, der üblen Herbergsfamilie das mörderische Handwerk zu legen, die Gäste zu beschützen und gleichzeitig das Beichtgeheimnis nicht zu verletzen. Nach Beendigung der Dreharbeiten zu „La auberge rouge“ ging es für den Schauspieler direkt nach Brescello in Oberitalien. Er wurde „Don Camillo“. Die „Don Camillo“-Filme sind bis heute wahrscheinlich die erfolgreichste italienische Filmserie überhaupt. Über fünfzig Jahre nach der Fertigstellung des ersten Films, erfreuen sie sich nach wie vor großer Beliebtheit. Dabei hegte der Autor, Giovanni Guareschi, zunächst eine ziemliche Abneigung gegen Fernandel. Tatsächlich wollte Guareschi selbst die Rolle des Peppone, Don Camillos Widerpart, übernehmen, scheiterte aber mangels Geduld und Könnens. Schließlich gab man sie an Gino Cervo weiter, der aber hatte in der Erstbesetzung eigentlich den Don Camillo spielen sollen. Da erinnerte sich der Regisseur Julien Duvivier zum Glück an Fernandel, mit dem er schon 1937 „Spiel der Erinnerung“ gedreht hatte und schlug ihn für die Rolle des großen Priesters aus der Bassa vor. Guareschi war, wie üblich, nicht begeistert. Knurrend bemerkte der Autor, Cervi könne ja zur Not als Peppone durchgehen, aber Fernandel sei nicht im Entferntesten seine Vorstellung von Don Camillo. Gott sei dank blieb Duvivier hart, denn die Filme wären ohne Fernandel ganz sicher nicht so erfolgreich geworden. Es wurden schließlich zwischen 1951 und 1965 fünf Filme der „Don Camillo“-Reihe gedreht. Das bewährte Rezept Fernandel-Cervi-Brescello lockte Millionen begeisterte Zuschauer in die Kinos, die von den beiden notorischen Streithähnen, dem kampfeslustigen katholischen Priester Don Camillo und dem kommunistischen Bürgermeister des Dorfes, Peppone, die in ständiger Zwietracht liegen, nicht genug bekommen konnten. Bei aller Komik hatten die Filme jedoch einen durchaus ernsten Hintergrund. Der Kalte Krieg war im vollen Gange, und die italienischen Kommunisten horteten Waffen, um auf Befehl ihres Zentralkomitees gegen die Bourgeoisie lozuschlagen. Man probte den ideologischen Nahkampf mit den „reaktionären Kräften“, zu denen natürlich auch die katholische Kirche zählte. Berührend sind aber vor allem die eher stillen Szenen der Filme, wenn Don Camillo in der kleinen Dorfkirche Zwiesprache mit dem gekreuzigten Christus hält, der den ratsuchenden, verschmitzt-schuldbewußten Diener Gottes dann wegen seiner oft ungebremsten Rauflust sanft tadelt und an seine Priesterwürde erinnert. Geradezu anachronistisch wirkte die Verwendung von Schwarzweiß-Filmmaterial, in einer Zeit, in der Farbfilme wahre Triumphe feierten. Selbst während seiner „Don Camillo“-Erfolge hörte Fernandel nie auf, ernste Filme zu drehen. Inzwischen zu Weltruhm gelangt und zu einem internationalen Begriff geworden, spielte er mit Frank Sinatra, Bob Hope, Buster Keaton und Louis de Funes. In „Honoré de Marseille“ (1956) war der überaus wandlungsfähige Schauspieler als römischer Zenturio, der die unbeugsamen Gallier besiegen will, zu sehen; in „Alles in Butter“ (1958) spielte er einen Mimen mit Hang zu grotesken Kostümierungen und in der Westernparodie „Dynamit Jack“ (1961) eine Doppelrolle als schießwütiger Revolverheld und harmloser Goldsucher. Auch in den sechziger Jahren war sein Schaffensdrang ungebremst. Immer noch garantierten seine unvergessenen Auftritte in den „Don Camillo“-Filmen Schlangen an den Kinokassen. Sein letzter Film wäre wieder ein Don Camillo gewesen, aber er blieb unvollendet. Noch während der Dreharbeiten klagte der Schauspieler über Unwohlsein. Offiziell hieß es, er leide an einer Hüftarthrose. Fernandel ging schließlich in eine Pariser Klinik, wo die Ärzte feststellten, daß er seit schon längerer Zeit an Krebs litt. Am 26. Februar 1971 starb Ferdinand Contandin, alias Fernandel, besser bekannt als Don Camillo. Foto: Fernandel als Priester „Don Camillo“: Ungebremste Rauflust
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