In einem Interview hat Rocko Schamoni vor wenigen Jahren bekannt, daß er nichts gegen die „Menschen“ habe, sich hingegen bemühe, sie kennenzulernen. Die empirische Grundlage für seine Studien findet er außerhalb der Arbeitswelt, denn er gehört zu jenen, die in bester Post-Punk-Manier damit kokettieren, an derselben nicht teilzunehmen. In Wahrheit dürfte er allerdings zu den zahlreicher werdenden Mitmenschen zählen, denen der zumeist nicht ganz freiwillige Verzicht auf eine abhängige Beschäftigung zugunsten einer wie auch immer verbrämten Selbständigkeit unter dem Strich deutlich mehr Arbeitsleid beschert. Rocko Schamoni gewinnt seine Erkenntnisse statt dessen aus dem, was die Leute hören. Daß er sich hier nicht erschrocken abwendet, zeugt auf jeden Fall von einem hohen Maß an seelischer Unverwundbarkeit, vielleicht aber auch von einer Portion humanistischer Gesinnung. In der betulichen Sprache vergangener Tage hätte man wohl gesagt: Er hält der Gesellschaft den Spiegel vor, augenzwinkernd sogar. Heute drückt man es eher so aus: Er macht aus schmerzhaftem Trash, der manchen an seiner Zeitgenossenschaft verzweifeln lassen könnte, unterhaltsamen Trash, der ein gutes Gewissen selbst beim Konsum von Schlagerverdächtigem und Diskogedudel verschafft, weil man hier ja glauben darf, Ohrenzeuge einer subversiven Strategie zu werden. Einen Querschnitt dieses Schaffens aus knapp 15 Jahren mit ihren sechs Alben vermittelt jetzt die Doppel-CD „The Best of Rocko Schamoni“ (Trikont/ Indigo), sie spannt den Bogen von der wenig inspirierten Michael-Holm-Adaption über beißende Persiflagen sowohl bundesdeutscher Befindlichkeit („C.D.U.“, „Gegen den Staat“) als auch atavistischer Jugendmilieus inklusive ihrer gutmütigen Rezeption („Junge Punx“) bis hin zum Klangteppich aus Großraumtanzsälen – dieser allerdings ein paar Grade weniger originell als das, womit Jimi Tenor hier aufwartet. Mußte man bei Guildo Horn und Helge Schneider selber die unverschämt gute Laune der Spaßgesellschaft mitbringen, um ihrer würdig zu sein, so vermag Rocko Schamoni zu erheitern, ohne daß der Gram über die Zeitläufte auch nur für einen Moment aufgegeben werden müßte. Als Pop-Linker ist und bleibt er de facto elitär ohne Hemmschwelle hin zur Anmaßung. Man interessiert sich für das klassische revolutionäre Subjekt nicht, weil man es erlösen oder wenigstens begeistern möchte. In der Beschränktheit seines Bewußtseins dient es statt dessen als Quelle der Erheiterung und der wohligen Profilierung des mokanten Geistesmenschen. Immer wieder überraschend ist es, wenn Musiker ihr eigenes Lebensgefühl, hinter dem oft weniger Leben als behauptet steht, für mitteilenswert oder sogar relevant halten. Im Fall des Projekts mit dem gedrechselten, ironisch-selbstverliebten Namen Olli Schulz & der Hund Marie sowie der von diesem in die Welt gesetzten CD „Brichst Du mir das Herz, dann brech‘ ich Dir die Beine!“ (grand hotel van cleef) kann man sogar von einem Ärgernis sprechen, von einem aufschlußreichen allerdings. „In den Räumen, wo wir wohnen, zerreißen wir Schablonen, setzen sie zusammen, fang’n von vorne an“: Der saloppe Refrain des Songs „Spürhund“ könnte als programmatisch aufgefaßt werden. Diese Combo aus der Entourage der musikalischen Momentaufnahmenkünstler von Wir sind Helden setzt Banalitäten aus dem durch den Filter ambitionierten Musikerlebens wahrgenommenen Einerlei des großstädtischen Alltags nicht mehr ganz so junger Jugendlicher zu einem süßlichen und kitschigen Patchwork zusammen. In einem solchen Kopfkino findet sich für alles sogar auf deutsch ein Ausdruck in der großen transatlantischen Singer-Songwriter-Kulturtradition.