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Anleitung für eine Lückenbebauung

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Es ist still geworden um den Berliner Schloßplatz. Die vor wenigen Wochen veröffentlichte Meldung, daß der Palast der Republik endgültig abgerissen werden soll, um „zunächst“ eine Grünfläche entstehen zu lassen, wurde ohne großen Lärm hingenommen. Dabei sind die Zeiten, als jede Neuigkeit in Sachen Stadtschloß leidenschaftlich diskutiert wurde, gar nicht so lange her. Nach dem Votum der internationalen Schloßkommission und des Bundestages für eine Teilrekonstruktion im vergangenen Jahr scheint die Schlacht geschlagen. Die Gegner dieser Lösung können nur noch darauf hoffen, daß finanzielle Erwägungen den ersten Spatenstich immer weiter verzögern. Abseits des publizistischen Kampfgetümmels sind zahlreiche Publikationen entstanden, die sich dem Berliner Schloßplatz mehr oder weniger voreingenommen angenähert haben. Eine dieser Arbeiten ist die Dissertation von Guido Hinterkeuser an der Berliner Humboldt Universität, die sich dem Umbau durch den Baumeister Andreas Schlüter widmet. Damit die über tausend Seiten lange Arbeit als Buch im Siedler Verlag veröffentlicht werden konnte, mußte sie deutlich gekürzt werden, umfaßt aber auch so noch 489 Seiten. Um es gleich vorwegzunehmen: Hinterkeuser hat mit seiner Arbeit ein Standardwerk geschaffen. Jeder, der sich zukünftig über die Schloßfrage äußern will, sollte zumindest den Katalog des Buches durchgeblättert haben, er findet dort zahlreiche Zeichnungen, Fotos und Baupläne. Daß das Berliner Schloß bestens dokumentiert ist – aus dieser Perspektive eine präzise Rekonstruktion also ohne Zweifel möglich ist -, wird niemand mehr leugnen können. Auch die architektonische Bedeutung des Bauwerks kann Hinterkeuser eindrucksvoll belegen, obwohl das nicht die eigentliche Absicht seiner Forschung gewesen sein mag. Vielmehr konzentriert sich der Verfasser auf die Person Andreas Schlüter, dessen Herkunft zwar noch immer nicht restlos geklärt ist, von dem man aber annimmt, daß er mit einem am 13. Juli 1659 in der Danziger Katharinenkirche getauften Andreas Schlüter identisch ist. Für Hinterkeuser nimmt das künstlerische Können Schlüters „seinen Ausgang in Polen“; denn die „deutsch geprägte“ Stadt Danzig, die völkerrechtlich zur Polnischen Adelsrepublik gehörte, und Warschau, die Hauptstadt Polens, haben seine stilistische Entwicklung bestimmt. Allerdings tummelten sich zu jener Zeit zahlreiche italienische Künstler am Hofe des polnischen Königs Jan III. Sobieski, von denen der junge Schlüter – damals nur Bildhauer, kein Architekt – manche Inspiration bekommen haben mag, etwa beim Bau des Schlosses Wilanow. Sowohl bei diesem Bau als auch bei dem Palais Krasinski in Warschau dokumentiert Hinterkeuser zahlreiche planerische und gestalterische Details, die sich später in Berlin wiederentdecken lassen. Besonders bei dem Krasinski-Bau, der zu den bedeutendsten Adelspalais im Europa des ausgehenden 17. Jahrhunderts gehörte, konnte Schlüter unter der Aufsicht von Tilman van Gameren „anspruchsvollste Arbeiten“ verrichten. Er hob sich durch diese Arbeiten aus der Masse der anderen Handwerker hervor und wurde so auch außerhalb Polens bekannt. Ganz nebenbei verweist Hinterkeuser auf die Gründe italienischer Dominanz in Polen hin: Für Italiener war das katholische Polen ungleich viel attraktiver als die protestantischen Länder Brandenburg oder Schweden. Als der Italiener Domenico Martinelli einen Ruf als Hofarchitekt nach Berlin bekommt, weist er 1697 das lukrative Angebot mit der Begründung zurück, er wolle „nicht unter den Ketzern“ leben. Ein eigenes Kapitel widmet Hinterkeuser dem „Schloßbau in der Forschung“, in dem er vor allem den Streit bezüglich der Drei-Pläne-Hypothese von Goerd Peschken darstellt. Demnach habe nicht Schlüter den Umbau des Berliner Schlosses geplant, sondern nur weiterentwickelt – in einem dritten Plan fertiggestellt – was vor ihm Nicodemus Tessin d. J. und eventuell Johann Gregor Memhardt angefangen hätten. Peschken, der sich seit den 1960er Jahren mit dem Berliner Schloß beschäftigt und der mit seinen großformatigen, bebilderten Monographien 1992/93 die Diskussion um seine Rekonstruktion maßgeblich angestoßen hat, gilt als einer der besten Kenner der Materie. Daher spricht es für Hinterkeusers wissenschaftliche Redlichkeit, daß er es nicht dabei beläßt, die Kontroverse neutral zu beschreiben, sondern mit stichhaltigen Argumenten Position ergreift gegen seinen Mentor Peschken. In der Danksagung bittet er um Verständnis für seine abweichende Argumentation. Einen Tribut an den Zeitgeist zollt Hinterkeuser mit seinem abschließenden Kapitel über „Andreas Schlüter und das Berliner Schloß im europäischen Kontext“. Bemerkenswert an dem Bekenntnis zu Europa ist des Verfassers Einspielung, daß es auch schon vor der Europäischen Union eine abendländische Einheit gegeben habe. Guido Hinterkeuser arbeitet zur Zeit bei der Stiftung Schloß und Park Benrath in Düsseldorf. Sollten einst tatsächlich die Bagger auf dem Berliner Schloßplatz vorfahren, um mit der Rekonstruktion zu beginnen, wäre seine mitwirkende Nähe wünschenswert. Guido Hinterkeuser: Das Berliner Schloß. Der Umbau durch Andreas Schlüter. Siedler Verlag, Berlin 2003, 489 Seiten, Abb., 39,90 Euro.

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