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Pizza Margherita

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Meine Großmutter wußte, daß jedes Restaurant so gut ist wie seine Hühnersuppe. Sie bemaß die Fähigkeiten der Küche also nach dem einfachsten der feilgebotenen Gerichte. Ein guter Ansatz! – Nun wird das, was gerade so unter „gutbürgerlicher Küche“ firmiert, nicht so häufig von Michelin-Testern besucht, die sich dem gehobenen Gourmet-Bereich zuwenden – nicht selten vielleicht wie der Kaiser seinen neuen Kleidern. Und überhaupt ißt der Deutsche – zumindest außer Haus – gern international, also das, was sich weltläufig bis exotisch gibt.

Mich Provinzler hat schon immer interessiert, ob richtige Chinesen als heimische Küche irgend etwas von dem wiedererkennen mögen, was – außer Reis – gemeinhin im China-Restaurant angeboten wird, ob also die krosse Ente Sezuan auch in Sezuan bekannt ist, und ob es andererseits unterm Halbmond Anatoliens tatsächlich die uns vertraute Drehspießgastronomie für „Döner Kebab“ geben mag.

Man adaptiere also Großmutters Hühnersuppen-Test und unterscheide einmal die italienischen Restaurants nach der Pizza Margherita, die sie anbieten. Das ist jene Ur-Pizza, die auf der Karte meist ganz oben für den Preis eines ganz kleinen Taschengeldes angeboten wird – vermutlich gar nicht so häufig gewählt, weil der generöse Gast ungern knickrig erscheinen und also eher kein Gericht ordern möchte, das billiger ist als der halbe Liter Montepulciano und die Flasche Pelegrino, die er dazu trinkt. Oder weil das Publikum die Erwartung hegt, eine Pizza müßte bepackt sein wie eine fette Torte. American Pizza!

Eines muß der Teig vor allem sein: dünn

Apropos Torte! Das ist es: Von Qualität zeugt nicht zuerst der Belag (Was für ein ungünstiger Begriff!), sondern zuvörderst der Teig als eigentlicher Corpus des Gerichts – einfach hergestellt aus Mehl, Wasser, Salz und Hefe. Mehr nicht! Non multa! Der muß vor allem eines sein: dünn! Und bitte knackig, nach qualifiziertem Geschmack gar etwas drög und hart, durchaus vom Ofen leicht angesengt, so wie es einem mit etwas Glück noch bei richtig gut gemachtem elsässischem Zwiebelkuchen begegnet.

Freilich ein unpassender Vergleich, dessen Herbeigezogenheit aber das Problem offenbart: Es gibt kaum mehr die dünne, scharf gebackene und knusprige Pizza, die den Test, hochgehalten nicht herunterzuflappen, besteht, sondern eher solche mit klitschigem Boden, die ihre mangelnde Konsistenz und Kontur eben durch einen unanständigen Aufwand an „Belag“ verzweifelt wettzumachen suchen! Und leicht angebrannt darf sie schon gar nicht sein, denn so entstehen ja die tückischen heterozyklischen aromatischen Amine. Krebsrisiko für den Darm! Weswegen leider längst nicht mehr so urig wie im Western gegrillt wird und Brot mit scharfer Kruste aus den Bäckerregalen verschwand. Also zugunsten von weichem blassem Zeugs.

Zurück nach Italien: Dort gibt es doch nichts Besseres als die einfachste, aber nach einer Königin benannte Pizza, die zudem die Nationalfarben des Landes zeigt: rote Tomatensoße, weißer Mozzarella, grünes Basilikum. Das ist die elementare Grundform, das bescheidene Muster, aus dem all die protzigen Teigklöße hervorgingen, die auf der Karte mit ihrer Überzahl an Belegen zu punkten versuchen – bis hin zu ganz pervertierten Derivaten wie etwa Pizza Hawaii oder schlimm verbastelten Hybriden mit Gyros, gar Spiegelei oder sonst welchen Sättigungsbeilagen. Je mehr sich draufgeklatscht findet, um so teurer wird’s, aber leider ebenso „integral“ im Geschmack.

Wir brauchen so wenig zum Leben!

Zurück zu den Ursprüngen, also zu Großmutters Hühnersuppe oder der italienischen Mama, die mit wenig Zutaten im heißen Ofen etwas Deliziöses herstellt. Ach, wir brauchen so wenig zum Leben! Man übertrage das Prinzip auf alle möglichen Daseins- und Erlebnisbereiche, in denen uns das Aufgerüstete nur beschwert, aber das Einfache befreit. Der stoische Genießer bleibt dabei: Pizza Margherita bitte. Dafür darf es dann eine Karaffe Wein mehr sein.

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