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Marc Jongen, ESN Fraktion

Nichts ist lächerlich

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Vor wenigen Tagen saß ich mit einem konservativ ausgerichteten Journalisten am Tisch eines Restaurants, als er sich über die scheinbare Lächerlichkeit unserer politischen Klasse äußerte: „Unsere Politiker machen sich doch völlig lächerlich mit ihrer Flüchtlingspolitik. Sie erweisen sich doch als unfähig, das Problem in den Griff zu bekommen.“

Daß sich unsere Eliten oder die politischen Gegner lächerlich machen würden, ist ein häufig zu hörendes Argument aus konservativem Mund. Man hört es beispielsweise, wenn mal wieder ein Gender-Lehrstuhl an einer Universität besetzt wird oder Linksradikale mit völlig an den Haaren herbeigezogen Parolen demonstrieren oder eine in konservativen Augen absurde politische Maßnahme stattfindet. Stets ist das angeblich lächerlich – bloß daß niemand lacht.

So ist denn die These von der Lächerlichkeit vor allem ein Produkt der konservativen Selbsttäuschung. Man wähnt sich noch vom Zeitgeist eines „gesunden Menschenverstandes“ umgeben, der dergleichen „lächerlich“ finden müßte. Man erhöht sich über den politischen Gegner, womöglich auch um die eigene Bedeutungslosigkeit vergessen zu können. Dabei ist es der politische Gegner, der notfalls die Vorgaben macht, über wen gelacht werden darf oder nicht. Denn bei Bedarf werden beispielsweise mal wieder mit Steuergeld lustige Broschüren oder Videoclips gedreht, die dazu dienen sollen, nicht dem lachenden Konsens entsprechende Meinungen ins Lächerliche zu ziehen.

„Lacht kaputt, was euch kaputt macht“

Das Lachen dient schließlich auch dazu, sich der gesellschaftlichen Mehrheitsverhältnisse zu vergewissern. Wird mitgelacht, dann weiß man, daß man nicht alleine, sondern auf der richtigen Seite steht. Prominente Komiker wissen deshalb auch genau, nach welchem Wind des Kulturbetriebs sie ihr Fähnchen zu hängen haben, um weiterhin Sendeminuten im Rundfunk zu ergattern. Im Ernstfall soll immer noch der Konservative lächerlich wirken. Das ist zudem ungefährlich, ist doch bislang von konservativer Seite nicht einmal ein Prozent der Gegenwehr zu erwarten, die man beispielsweise mit Mohammed-Karikaturen auf sich zöge.

Sicherlich böte die gegenwärtige Politik viel Raum für kritischen Witz und neues Kabarett, in denen auch Konservative sich bestätigt wiederfänden. Bislang aber sind auf der kabarettistischen Ebene dazu nur Ansätze spürbar. Etwa bei Dieter Nuhr, Volker Pispers oder bei Ludger K. Es braucht also noch Zeit, bis sich der gegenwärtige ideologische Überbau der Republik einem großen Lachen gegenübersieht, der natürlich dann auch ein Zeichen des Autoritätsverlusts ist. Bis dahin kann es aber noch länger dauern bis zur Lächerlichkeit. Dann allerdings kann alles auch ganz schnell gehen. Oder es ist ganz zu spät mit lustig.

Man lacht eben in der Regel nicht über die Hand, die einen füttert. Mögen noch so viele Journalisten, Politiker der zweiten und dritten Reihe, Beamte, Kulturschaffende möglichenfalls in hellen Momenten mit dem Kopf schütteln angesichts von Staatsverschuldung, Einwanderung, Europa- oder Familienpolitik. Sie werden sich hüten, an der falschen Stelle zu lachen, wenn das ihrer Karriere schaden könnte.

Wenn die Politik will, kann sie auch ganz anders

Hier sind wir beim zweiten falschen Vorwurf aus konservativem Mund, dem der angeblichen Unfähigkeit der Eliten. Selbstverständlich findet sich regelmäßig Unfähigkeit, vor allem in den Verwaltungsstrukturen. Hinzu kommt, vor allem auf der kommunalen Ebene, ein teils naives und kurzsichtiges politisches Personal. Anders sind beispielsweise die alljährlich im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler aufgelisteten Verfehlungen auch kaum zu erklären.

Gleichwohl sollte das nicht dazu führen, den hiesigen Politikern zum Beispiel in der aktuellen Flüchtlingspolitik nur Unfähigkeit zu attestieren. Das wäre nämlich verharmlosend, würde es doch suggerieren, daß man die Probleme nur aufgrund eigenen Unvermögens nicht in den Griff bekäme. Und es wäre das argumentative Gegenbild zum ebenfalls in konservativen Kreisen zu findenden Verschwörungstheoretiker, der den politischen Eliten die völlige Durchplanung jeder kleinen Alltagsbegebenheit unterstellt. Daß mächtige Personen einer neuen Weltordnung den Weg bereiten wollen, sei unbestritten, doch daß ein kleiner Zirkel an der New Yorker Wallstreet bereits die Verantwortung dafür trägt, daß mir an der Imbißbude die Pommes frites vom Plastikgäbelchen fallen, ist das gegenteilige Extrem zu den Reden von der Unfähigkeit der politischen Eliten.

Daß die politischen Entscheidungsträger nämlich sehr wohl handlungsfähig sind, zeigt sich für den Konservativen spätestens dann, wenn die nächste politische Kampagne mit Steuergeldern unterstützt wird, mit der auch der Konservative wieder einmal auf sein lächerliches Maß zurückgestutzt werden soll. Wenn man will, kann man also ganz anders in den politischen Schaltzentralen, ist keinesfalls unfähig, sondern fest entschlossen.

Langfristig entworfene Pläne werden umgesetzt

Und so ist auch die gegenwärtige Einwanderungspolitik natürlich bewußt so gewollt. Sie ist Produkt eines lange gewachsenen Denkens und die exakte Umsetzung von Plänen, die schon Anfang der neunziger Jahre von der Lobbyorganisation „Pro Asyl“ entworfen wurden. Damals wurde der Zug nur durch den Asylkompromiß 1993 zurückgefahren, eine Reaktion auf die damaligen Wahlerfolge der „Republikaner“.

Längst ist diese Bremse aber einem neuen Vorstoß gewichen. „Das Boot ist nie voll“, wie auch Winfried Kretschmann dieser Tage betonte. Insofern sollte man die politischen Entscheidungsträger also auch nicht so einfach aus der Verantwortung entlassen, indem man ihnen faktisch geistige Unzurechnungsfähigkeit attestiert. Nein, man agiert in den oberen Rängen durchaus klug und fähig. Nur ist das Handeln nicht von Weitsicht oder gar dem Gedeihen des deutschen Volkes (immerhin laut Grundgesetz noch Souverän des Landes) bestimmt, sondern in sicherlich hohem Maß von ganz persönlichen und materiellen Karriereinteressen.

 

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