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Marc Jongen, ESN Fraktion
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Fast, aber nicht ganz gescheitert

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Nach elf Jahren Anlaufzeit brachten die fünf Vetomächte der Vereinten Nationen (USA, England, Frankreich, Rußland, China), sowie Deutschland, die „Fünf plus eins“, vergangene Woche im Palais Coburg zu Wien abermals kein Atomabkommen mit dem Iran zustande. Niemand (außer den Verhandlungsführern und ganz wenigen Insidern) weiß, woran es wirklich gelegen hat.

Es ist bereits spekuliert worden, daß die jüngst zustande gekommene Mehrheit der Republikaner im US-Kongress deutlich machte, daß sie einer Aufhebung des „Iran sanction act“ nicht zustimmen würde. Wenn dem so sein sollte, dann wird es kaum einen einvernehmlichen Abschluß geben. Im Gegenteil könnten die Republikaner nach noch schärferen Sanktionen rufen – und die in den USA stets einflußreiche israelische Lobby würde sie dabei mit aller Macht unterstützen.

Jedenfalls verlängerten die Verhandlungspartner die Frist, die sie bereits im Sommer bis 24. November gestreckt hatten, ein weiteres Mal – diesmal bis zum 1. Juli des kommenden Jahres. Eine dafür notwendige politische Vereinbarung soll bis zum 1. März 2015 erzielt werden.

Beträchtlichen Annäherung

Iran wird bis zum Ende der neuen Frist im Sinne des vor einem Jahr in Genf beschlossenen Interimsabkommen keine Ausweitung der Kapazität seines Nuklearprogramms vornehmen. Im Gegenzug erhält er monatlich 700 Millionen US-Dollar seines eigenen Geldes zurück, seines im Ausland „eingefrorenen“ Vermögens. Das umfassende internationale Sanktionsregime bleibt zunächst bestehen. Das ist schlecht für den Iran. Denn rund fünf Milliarden sind für Teherans Staatskasse zwar eine Menge Geld, aber dennoch weitaus weniger als die Einkünfte, die der Iran nach einer Öffnung des Öl- und Gasmarkts und einem Ende der Finanzsanktionen einnehmen würde.

So ernüchternd dieses Ergebnis auch wirkt, kann man es de facto aber doch angesichts der beträchtlichen Annäherung in zahlreichen Verhandlungspositionen als einen weiteren Schritt auf dem steinigen Weg zu einer umfassenden Einigung verstehen. Eine Fortsetzung der Gespräche ist daher mehr als nur eine Verlegenheitslösung.

Mittlerweile haben die Gesprächsrunden mit Iran trotz aller Hürden sogar einen Eigenwert erlangt: Aus ihnen hat sich beinahe beiläufig ein Instrument für einen kontinuierlichen Dialog entwickelt, der in seiner Frequenz vor allem zwischen Teheran und Washington beispiellos ist. Bilaterale Gespräche zwischen den Außenministern beider Staaten, noch vor zwei Jahren undenkbar, sind inzwischen Routine – und die Präsidenten schreiben sich vertrauliche Briefe, aus denen sich bereits eine punktuelle Zusammenarbeit in der Bekämpfung der mit dem Auftauchen der radikal-sunnitischen Terror-Miliz des Islamischen Staats (IS) entstandenen Probleme entwickelt hat.

Diplomatischer Eiszeit

Schon jetzt haben die Gespräche dazu beigetragen, das nach 35 Jahren diplomatischer Eiszeit fest verankerte gegenseitige Mißtrauen vorsichtig „anzutauen“. Hierbei geht es nicht nur um die Verhandlungsführer beider Seiten, sondern um das um große Segmente des politischen Establishments in den USA und im Iran. Beide Regierungen stehen innenpolitisch unter Druck – und können auch kleine Erfolge gut gebrauchen.

Das letztendlich angestrebte Abkommen soll dem Iran die friedliche Nutzung der Atomtechnologie ermöglichen, zugleich aber verhindern, daß er in kurzer Zeit Atomwaffen entwickeln kann. Im Gegenzug soll die sogenannte 5-plus-1-Gruppe die in dem Streit verhängten Finanz- und Wirtschaftssanktionen ganz aufheben. Es herrscht aber weiterhin Uneinigkeit über das Niveau und das Ausmaß der Urananreicherung und den Zeitplan für die Aufhebung der Sanktionen.

Doch bei all den kleinen Zugeständnissen, zu denen sich die beiden Verhandlungsparteien in Wien verstanden, ist das Selbstbewußtsein der Kontrahenten scheinbar ungebrochen: Inmitten der Wiener Verhandlungen über Irans Atomprogramm unterzeichneten Vertreter der iranischen Atomstrombehörde NPPD und der russischen Firma AtomEnergoProjekt in Moskau einen Vertrag über den Bau von acht neuen Reaktoren im Iran. Es gehe um „die Erweiterung des Kernkraftwerks Buschehr, sowie den Bau von vier weiteren Reaktoren“ in dem Land am Persischen Golf, teilte der russische Atomkonzern mit.

„Wurzel allen Übels“

Bei allem Optimismus, den die Atmosphäre der Wiener Verhandlungen und die kleinen Schritte der Annäherung, die es gegeben hat, nahelegen, stellen Skeptiker dennoch auch die Frage, wie in sieben Monaten bei der Fortsetzung der „Fünf-plus-Eins“-Gespräche gelingen soll, was jetzt nicht zu schaffen war: Im Atomstreit liegen seit Jahren ja alle Karten auf dem Tisch; sie müßten nur endlich in der richtigen Reihenfolge abgelegt werden, damit das Patience-Spiel endlich aufgeht.

Auch diesmal dürfte es an der Abfolge, dem do ut des, gehakt haben: Die Iraner wollten in Wien eine möglichst rasche Aufhebung der Sanktionen erzielen und machten davon alle Zugeständnisse bei der Anzahl der Zentrifugen und der Anreicherung von Uran abhängig; ihre Verhandlungspartner, allen voran die USA, gestanden lediglich eine Suspendierung für die kommenden acht bis zehn Jahre zu, um die Sanktionsmaßnahmen jederzeit wieder in Kraft setzen zu können, sollte Iran sich nicht an die Abmachungen halten. Es ist nach wie vor der Mangel an Vertrauen, der den Iran und die 5+1 davon abhält, den Atomkonflikt zu lösen. Wundern muß das niemand: Der Iran hat die Welt mit seinem Atomprogramm in der Vergangenheit mehrmals und systematisch hinters Licht geführt.

Auf der anderen Seite wird sich wohl im Iran jeder fragen, nach welcher Waffe er streben sollte, wenn sein Nachbarstaat, der Irak, bereits völkerrechtswidrig von einer US-geführten „Koalition der Willigen“ überfallen und zerrüttet worden ist, und wenn diese „Koalition der Willigen“ im Zusammenhang mit dem Iran von der „Wurzel allen Übels“ spricht, der „Achse des Bösen“.

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