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Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

Zwischen Julia und Judith

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Zwischen Julia und Judith

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„Mist, ich würde eigentlich lieber zu Julia gehen, aber bei Judith habe ich für diesen Monat noch einige Freikarten“, könnte ein Mann in nicht allzu ferner Zukunft denken, wenn er seine Feierabendaktivitäten plant. Wahrscheinlich geht es technischer zu, und er verfügt statt altmodischer Zettel über eine Chipkarte, die er in ein kleines Gerät einführt, vergleichbar dem Tan-Generator, wie man ihn jetzt bei einigen Banken für das Online-Banking benötigt, vielleicht druckt er sich aber auch eine Tabelle mit seinem „Wochenplan“ aus und macht in der Rubrik „Beziehungen“ hinter dem Namen „Judith“ ein Häkchen.

Vielleicht hat er mit seinen Freundinnen aber auch ganz andere Verträge ausgehandelt, mit unterschiedlichen Leistungsprofilen, Flat-Rates, Bonus-Performances und Zusatzmodulen, von denen wir uns derzeit nur vage Vorstellungen machen können, obwohl wir uns in den letzten fünfzehn Jahren an zahlreiche Veränderungen in der Ausgestaltung unseres Gefühlslebens gewöhnt haben: von der Verwendung von „Emoticons“, die die Ausdruckskraft unserer Texte sowohl steigern als auch standardisieren sollen, bis hin zu der „Normalität“, daß die Nachbarn ihre „Amateur-Videos“ hochladen und „voten“ lassen.

Aus der Lebensabschnittspartnerschaft in die Polyamorie

Vielleicht sehen wir miesepetrigen Konservativen aber auch wieder alles zu negativ, was man den neuen Prognosen des Kelkheimer „Zukunftsinstituts“ bezüglich künftiger „Partnerschaftsmodelle“ entnehmen kann: Dem seit längerem schon – ob freiwillig oder unfreiwillig – vorherrschenden Prinzip der „Lebensabschnittspartnerschaft“ soll eine Tendenz zu „polyamoren Beziehungen“ an die Seite treten, die sich, trotz scheinbarer Ähnlichkeit, von den einstigen Sexkommunen-Experimenten der Hippies sehr unterscheidet.

Allem Emanzipationsgerede zum Trotz war wohl kaum ein Versuch, den Sexualhaushalt zu organisieren, so sehr an (unreifen oder degenerierten) männlichen Wunschvorstellungen ausgerichtet wie die sogenannte „Freie Liebe“, bei der jede(r) mit jedem ins Bett zu gehen und bei Weigerung den Vorwurf der Konterrevolution und des Verharrens in bürgerlichen Moralvorstellungen zu fürchten hatte. Selbst die von Altfeministinnen so bekämpfte – immerhin aber bezahlte – Prostitution stellt, wenn sie freiwillig betrieben wird, keine so große Verdinglichung des weiblichen Körpers dar wie seine Reduktion auf eine austauschbare und kostenlos verfügbare Massenware durch die 68er-Kommunarden.

Die konsequente Weiterentwicklung der Patchwork-Familie

Mit „Polyamorie“ – die durch weitere Trends etwa zum „casual sex“ (unverbindliche Gelegenheitsbeziehungen) oder auch zu asexuellen Partnerschaften flankiert wird –, glaubt man wohl, den gordischen Knoten, in den wir uns immer wieder verwickeln, zerhauen zu haben: Freiheit und Abwechslung auf der einen, Liebe auf der anderen Seite – dann endlich kommt die große coincidentia oppositorum, die Wiederholung des „Goldenen Zeitalters“ auf höherer Stufe!

Tatsächlich lieben wir ja durchaus mehrere Menschen gleichzeitig, etwa Eltern, Kinder, Ehefrau oder Ehemann, und es gibt keinen „logischen Grund“, warum wir nicht auch mehrere Frauen und/oder Männer gleichzeitig lieben können, an denen uns unterschiedliche Eigenschaften faszinieren. Das Modell ist die konsequente Weiterentwicklung der Patchwork-Familie, die längst auch bei Konservativen vorherrscht. Wir sind alle Knoten in einem großen Netzwerk, und auftretende Probleme müssen durch planvolles Zeitmanagement, Reflexionen über das eigene, „falsche“ Bewußtsein (Eifersucht, Besitzdenken) sowie durch Diskussion und vertragliche Vereinbarung bekämpft werden.

Schariakonforme Polygamie eher wahrscheinlich

Zweifellos ist es sinnvoller, sich seine Wünsche, Ängste und Hoffnungen mitzuteilen als sie in seiner Seele zu verkapseln; noch lieber werden (nicht nur) von Frauen allerdings Taten gesehen – oder erlebt – als Reden angehört. Verträge aber wird man, obwohl man sich über dies oder jenes ruhig austauschen sollte, auch in Zukunft lieber nur mit Geschäftspartnern abschließen. Die Zukunftsforscher aus Kelkheim haben in ihrem Monatsmagazin Trend-Update wohl doch einiges vergessen: Zum Beispiel, daß Liebe eine spontane Angelegenheit ist, der man zwar einen äußeren vertraglichen Rahmen geben kann, deren inhaltliche Details man aber auch bei der klassischen Ehe aus guten Gründen nicht im einzelnen aufrechnen wollte.

Oder daß die demographische Entwicklung dazu führen könnte, daß es statt Polyamorie eher schariakonforme Polygamie gibt (mit oder ohne Liebe – danach wird nicht gefragt). Und daß diesem Trend, wenn überhaupt, nur durch eine Renaissance verantwortungsbezogener Familienstrukturen begegnet wird. Und schließlich, daß man sich doch meistens zwischen Julia und Judith entscheiden muß und will – Ausnahmen bestätigen die Regel.

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