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Marc Jongen, ESN Fraktion

Polizeigeschichten: Falsche Statistik

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Polizeigeschichten: Falsche Statistik

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Keine Polizeistatistik spiegelt die Wirklichkeit wieder. Sie dient vielmehr den journalistischen Claqueuren der Polizeibehörden und Innenministerien zur Verschleierung der realen Verhältnisse. Ganz ähnlich wie beispielsweise die nach unten manipulierte Inflationsrate. Immer wieder kann man in der Presse Schlagzeilen lesen, nach denen die Kriminalität „deutlich zurückgehe“. „Der Eindruck täuscht: Jugendkriminalität sinkt“, kann man lesen.

Doch das ist ein falscher Schluß, denn als Quelle wird stets nur die polizeiliche Strafverfolgungsstatistik angeführt. Die Statistik sagt also über die Kriminalität nicht viel aus, sondern allein über die Arbeit der Polizei. Es ist also eine Polizeiarbeits-Statistik. Würden die Polizisten ein Jahr für höhere Bezüge streiken und die Reviere einfach schließen, würden auch null Fälle protokolliert werden und in der Polizeistatistik auftauchen. Das hieße aber nun wahrlich nicht, daß deshalb nun keinerlei Kriminalität mehr stattgefunden hätte. Ganz im Gegenteil vermutlich, auch wenn die bundesdeutschen Qualitätsmedien groß „Kriminalität auf Nullpunkt“ titeln würden.

Die wahre Kriminalitätsrate dürfte weit höher liegen, denn eine Großzahl an Delikten schafft es gar nicht in die Polizeistatistik. Ein Bekannter wurde beispielsweise mal nachts nach einem Kneipengang überfallen und seiner Armbanduhr beraubt. Zur Polizei sei er nicht gegangen, erklärte er. Es sei ihm als Zeitvergeudung erschienen, da er die Täter ohnehin nur vage beschreiben könnte. Als ein Freund vor Jahren in einer Gaststätte mit einem betrunkenen Schläger in Streit geriet und ein Glas über den Schädel gezogen bekam, bin ich mit ihm ins Krankenhaus zum Nähen gefahren, nicht aber zur Polizei.

„Wir können keine Streife zu Ihnen schicken“

Während der vorletzten Fußball-EM sprang mir ein offenbar mit Alkohol oder Drogen Zugedröhnter während der langsamen Fahrt direkt in die Autoseite. Kurz darauf traf ich auf eine Polizeikontrolle und schilderte den Fall. „Der ist wohl über alle Berge“, wurde mir lethargisch mitgeteilt. „Sie können natürlich zum Revier fahren und Anzeige erheben. Aber das ist nur ein Fall für die Statistik.“ Ich verzichtete dankend. Als ich einige Jahre zuvor wirklich mal wegen des Diebstahls eines Tankdeckels Anzeige im Revier erstattete, wurde ich dort äußerst mißmutig und mißtrauisch empfangen. „Sie wissen schon, daß Versicherungsbetrug strafbar ist“, sagte mir die mich feindselig musternde protokollierende Polizistin, als wäre ich der Straftäter. Ein Kollege rief ihr lachend und höhnend zu: „Ach, du durftest diesen großen Fall übernehmen.“ Klares Signal also, daß jemand wegen Schäden unter 200 Euro gefälligst gar nicht im Revier auftauchen soll.

Ungezählt mögen deshalb die Körperverletzungen, Raubüberfälle, Diebstähle sein, die nie ihren Weg in die Strafverfolgungsstatistik finden. Und daran arbeitet die Polizei auch effektiv, denn es gilt Papierkram zu vermeiden.

Unlängst traf ich mich nach vielen Jahren mal wieder mit der Schwester eines alten Freundes, die in der Offenbacher Innenstadt wohnt. Lärm gehöre hier zum Alltag, und zwar nicht nur bedingt durch den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Die anfängliche Moschee über ihrer Wohnung war noch eher harmlos, dann kam das behinderte türkische Kind, das manchmal den ganzen Tag schrie und tobte. Heute sind es des öfteren Schüsse, die in der Nacht im Hinterhof fallen. „Das sind keine Platzpatronen, das sind eindeutig scharfe Schüsse“, sagte sie mir. Vor allem aber der Lärm aus umliegenden türkischen und griechischen Gaststätten hätte enorm zugenommen. Als es sie eines nachts einmal packte und sie beim Polizeirevier anrief, bekam sie eine knappe Antwort: „Tut uns leid, aber derzeit sind so viele Lärmbeschwerden vorhanden, daß wir keine Streife zu Ihnen schicken können.“ Als sie nachhakte, antwortete ihr der Polizist am Telefon: „Rufen Sie doch nachher noch einmal an, wenn die Lärmbelästigung aufgehört hat.“ „Warum soll ich anrufen, wenn der Lärm aufgehört hat?“, fragte sie entnervt zurück.

Will die Polizei nicht oder darf sie nicht?

Vom Fenster aus kann sie beobachten, wie in einem Laden gegenüber offen mit Drogen gehandelt wird. Es werden regelmäßig Päckchen geliefert, diese dann in kleine Portionen geteilt. Danach erscheinen dann stets die Kleinkunden. Die Polizei ist entweder unwissend oder uninteressiert. Dafür aber zeigte sie eines Tages vollen Einsatz, als im Hof ihre Mitbewohnerin angesprochen wurde. Ob sie Frau T. sei, wurde sie gefragt. „Nein“, antwortete ihre Mitbewohnerin. „Frau T. wohnte über mir.“ Hartnäckig verlangten die Polizisten von ihr, nachzuweisen, daß sie nicht Frau T. sei. „Hören Sie doch: Frau T. hat hier mal gewohnt. Sie ist aber vor drei Monaten ausgezogen. Die Wohnung steht leer“, antwortete sie mehrfach. Geglaubt wurde ihr nicht, weshalb ein ganzes Einsatzkommando die seit Monaten leerstehende Wohnung stürmte. „Die sind so doof“, schüttelte meine Gesprächspartnerin ihren Kopf.

Ähnliches äußerte vor einigen Jahren ein Kollege, der auf eine Schule direkt neben einem Polizeirevier ging. „Auf dem Schulhof wurden regelmäßig Drogen getauscht und Joints geraucht. Und weil der Rauch zu den Hundezwingern rüberwehte, schlugen dort die Polizeihunde ständig an. Die Beamten liefen dann immer zu den Hunden und riefen: Was ist denn mit euch wieder los? Die rafften einfach nicht, was direkt neben ihnen vorging.“

Auch Hundegebell schafft es in keine Statistik. Beruht all das wirklich nur auf Desinteresse und Unfähigkeit? Können sie nicht oder wollen sie nicht oder dürfen sie vielleicht nicht? Fortsetzung folgt…

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