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Simpsons zensiert

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Simpsons zensiert

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Man stelle sich vor, Homer Simpson würde plötzlich zu einer gewissenhaften, pflichtbewußten und vor allem klügeren Version von sich selbst, sobald er die Tür zu seinem Arbeitsplatz in Montgomery Burns’ Kernkraftwerk öffnet. Er würde immer Schutzkleidung tragen, sorgsam mit den Gerätschaften umgehen und natürlich nie beim Arbeiten einschlafen, von Donuts träumen oder gefährliche Knöpfe drücken. Und auf keinen Fall würde in der Serie radioaktiver Müll auf Spielplätzen abgeladen, Kühlwasser direkt aus dem Atomkraftwerk in einen Fischteich geleitet oder mit glühenden Brennstäben rumgealbert. 

Das wäre vielleicht pädagogisch richtig – zumindest wenn man annimmt, daß Jugendliche keine Ironie verstehen. Aber es wäre eben auch nicht witzig. Es wäre sogar so unwitzig, daß eine der erfolgreichsten amerikanischen Kultserien damit überflüssig würde. Schließlich stehen und fallen die Simpsons gerade mit ihrem schwarzen Humor und ihrer gnadenlosen politischen Inkorrektheit. 

Zu verantwortungslos und sarkastisch 

Doch genau dieses einfache Prinzip hat das Schweizer Fernsehen wohl nicht verstanden – zumindest, was das neue Tabuthema Kernkraft angeht. Vor dem Hintergrund der Reaktorkatastrophe von Fukushima werden dort nämlich jetzt solche Folgen der Zeichentrickserie zensiert, in denen nach Meinung des Schweizer Fernsehens verantwortungslos und sarkastisch mit der Atomkraft umgegangen wird. 

Der Fernsehsender Pro Sieben dagegen, der die Simpsons bei uns ausstrahlt, will keine Folgen zensieren. Trotzdem gibt es auch hierzulande offenbar genügend Miesepeter, die sich genau das wünschen: „Wenn man jetzt eine Folge sieht, in der der laxe Umgang mit den Sicherheitsbestimmungen im Atomkraftwerk gezeigt wird, bleibt einem angesichts der Katastrophe in Japan sicherlich das Lachen im Hals stecken“, sagte der Medienwissenschaftler Steffen Damm von der Freien Universität Berlin kürzlich in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd. „Wenn es ernst wird und ein solches Ereignis wie ein GAU eintritt, sind auch die überzeichnete Darstellung und der kalkulierte Tabubruch nicht mehr lustig.“ 

Viel heiklere Themen zum Aufregen als die Kernkraft 

Doch, genau das ist es: Das schöne an Humor ist doch, daß er viele Seiten hat. Daher kann ja gerade auch Makabres amüsieren. Und oftmals gilt, je verbotener der Witz, um so witziger ist er. Matt Groening und die anderen Macher der Simpsons haben das kapiert und wer weiß, vielleicht machen sie sich demnächst auch mal in einer Folge über das Schweizer Fernsehen lustig. Es wäre zumindest nicht das erste Mal in ihrer über zwanzigjährigen Geschichte, daß die Serie zurückschlagen würde. 

In diesem Fall ist es allerdings absurd, daß wegen einer Reaktorkatastrophe in Japan eine amerikanische Zeichentrickserie in Europa zensiert wird. Dabei gäbe es bei den Simpsons für diejenigen Europäer, die unbedingt als globale Humorwächter fungieren wollen, viel heiklere Themen zum Aufregen: Man denke da nur an die antisemitischen, antiislamischen, antihinduistischen, antibuddhistischen, rassistischen und sozialdarwinistischen Witze, die sich aus hiesiger Sicht über heilige und unantastbare Tabus lustig machen. Überraschender- (und glücklicher)weise wurde daran bislang kaum Anstoß genommen.

Bislang. Denn es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Wächter der Political Correctness auch hierzulande daran Anstoß nehmen. Und im Zweifel hilft das nächste Unglück, in dessen Folge sich die selbsternannten Supermoralisten wieder über angebliche Pietätlosigkeiten erregen können, eben ein bißchen nach.

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