Seit vergangener Woche ist die Präimplantationsdiagnostik (PID) – also die genetische Untersuchung und Selektion von künstlich befruchteten Embryonen – in Deutschland zulässig. Das hat der Bundesgerichtshof in Leipzig entschieden und gleichzeitig die graduelle Aufhebung jeglichen übriggebliebenen Lebensschutzes in Deutschland losgetreten.
Denn mit der neu zugelassenen Diagnostik wurde das bislang strenge deutsche Embryonenschutzgesetz zum ersten Mal aufgeweicht. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), warnte nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes sogar vor einem „Dammbruch“ in Sachen Lebensschutz.
Designerbabys mit Wunscheigenschaften
Doch die Richter und die üblichen Verdächtigen aus Politik und Presse sehen die Sache ganz anders: Schließlich sei diese Art von Selektion nur bei besonders schweren Erbkrankheiten zulässig und dürfe keines Falls etwa für die Produktion von Designerbabys mit Wunscheigenschaften verwendet werden. So weit wie in Großbritannien und Belgien würde man in Deutschland doch nie gehen, sagen sie.
Hierzulande hätte die PID lediglich positive Funktionen: Dadurch würde vor allem verhindert, daß kranke, mißgebildete und lebensunfähige Embryonen überhaupt in die Gebärmutter eingesetzt werden. Das erspare wiederum den werdenden Eltern und dem kranken Kind viel Leid. Darum sei die PID die einzige wirklich ethische Lösung, so die Argumentation.
Doch es kommt noch besser: Die Richter des Bundesgerichtshofes entschieden sich für die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik aus angeblichen Gründen des Lebensschutzes. Es könnte nämlich zu unnötigen Abtreibungen kommen, wenn nicht untersuchte Embryonen eingesetzt und dann später wegen einer Behinderung abgetrieben würden.
Tür und Tor stehen offen
Auch wenn so ein Engagement für das Leben löblich ist, ist die Begründung des Gerichts falsch. Denn obwohl die Richter zu Recht die Logik der momentanen Gesetzeslage kritisieren und fragen, warum etwas in der Schwangerschaft erlaubt sein sollte, was vorher bei der künstlichen Befruchtung verboten war, machen sie einen gravierenden Fehler: Sie verbinden das Recht auf Leben mit dem Entwicklungsstand eines Ungeborenen.
Sie argumentieren, daß wenn ungeborene Babys abgetrieben werden dürfen, sechszellige Embryonen erst recht keinen Schutz genießen sollten. Dieser Logik nach ist man nicht von Anfang an ein Mensch, sondern wird es erst ab einem bestimmten Punkt. Das Problem dabei ist: Was relativ ist, hängt immer vom Betrachter ab. Somit kann auch dieser Punkt des „werten“ oder „unwerten“ Lebens beliebig verschoben werden. Die Konsequenz: Menschsein wird relativ.