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ESN-Fraktion, Europa der souveränen Nationen

„Hohle Konzerne“

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„Hohle Konzerne“

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Cato, Palmer, Exklusiv

In Europa mehr oder weniger unkommentiert (und unbemerkt?), markierte das Jahr 2007 eine Wende in der internationalen Arbeitsteilung: So konstatierte der Wirtschaftswissenschaftler Paul Krugman in der New York Times: „Kürzlich haben wir eine bedeutende Wendemarke überschritten: Wir importieren inzwischen mehr Industriegüter aus der Dritten Welt als aus anderen hochentwickelten Volkswirtschaften.“

Diese Entwicklung haben Karin Fischer, Christian Reiner und Cornelia Staritz in dem von ihnen herausgegebenen und gerade veröffentlichten Buch „Globale Güterketten. Weltweite Arbeitsteilung und ungleiche Entwicklung“ (Wien 2010) einer intensiveren Analyse unterzogen.

Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zeigen, daß die Globalisierung in ein neues Stadium eingetreten ist. Beschleunigend haben vor allem zwei Faktoren gewirkt: zum einen die dramatische Abnahme von Transaktionskosten durch politische Entscheidungen (etwa den Abbau von Zöllen via WTO-Entscheidungen) und durch technische Entwicklungen (Internet und Containerverkehr).

Netz von Subunternehmen

Zum anderen die „Verminderung der Fertigungstiefe durch Outsourcing“, sprich die Abnahme „des betriebseigenen Wertschöpfungsanteils am eigenen Produkt“, was bis zu einem „Industrieunternehmen ohne Fabrik“ – von den Autoren als „hohler Konzern“ bezeichnet – führen kann. Beispiele hierfür sind das Computerunternehmen Apple oder der Sportartikelgigant Nike.

Mit einem „hohlen Konzern“ ist im Kern nichts anderes gemeint, als daß derartige Unternehmen als „global buyers“ ein Netz von Subunternehmen kontrollieren, deren Produkte sie unter ihrem Markennamen verkaufen. Daß diese „global buyers“, in der Regel „Leitfirmen“ aus den Industriestaaten, den Löwenanteil des Bruttogewinns abschöpfen, versteht sich von selbst.

Das zeigt sich zum Beispiel am iPod von Apple, zu dem der Wirtschaftsgeograph Christian Reiner feststellt: „Ein iPod besteht aus 424 Einzelteilen, die mit Ausnahme der Software fast zur Gänze außerhalb der USA entwickelt, hergestellt und zusammengebaut werden. Regionale Gewinnverteilung: USA: 85 Prozent, Japan: 12 Prozent, andere 3 Prozent.“

Schrittmacher Computerindustrie

Treiber des Trends hin zum „hohlen Konzern“ ist derzeit wenig überraschend die Computerindustrie, bei der die Zerlegung der Wertschöpfungskette am weitesten vorangeschritten ist; die Produktion der vielen Komponenten findet an dem Standort statt, der die größten Vorteile bietet. In der Regel handelt es sich hier um Entwicklungs- oder Schwellenländer, deren Arbeits-, Sozial- und Umweltkosten entsprechend gering sind.

Die beiden Niederländerinnen Irene Shipper und Esther de Haan haben ein idealtypisches PC-Produktionsnetz zu verdeutlichen versucht: „Halbleiterchips  werden in Mexiko, Schottland oder Malaysia produziert, Festplattenlaufwerke in Singapur, Thailand oder den Philippinen. Der Monitor stammt aus Japan, Grundplatinen kommen aus China. Zusammengebaut wird der Computer schließlich in Mexiko oder in Ungarn.“

An diesem komplexen Netz, das in der Darstellung seiner Komplexität bereits reduziert ist, zeigt sich unter anderem, daß reine Kostenvorteile heute nicht mehr reichen, sondern sowohl von den Zulieferfirmen als auch von den Arbeitskräften steigende technologische Kompetenzen verlangt werden. Der Leitkonzern bestimmt dabei, mit wem er kooperiert, und er diktiert auch alle Bedingungen.

Der „hohle Konzern“ als Paradigma

Nun könnte man einwenden, daß es sich hier unter der Hand um die x-te Neuauflage der marxistisch inspirierten Dependenztheorien handelt, die die Existenz hierarchischer Abhängigkeiten (Dependenzen) zwischen Industrie- (Zentrum) und Entwicklungsländern (Peripherie) behaupten. Davon mag der eine oder andere Autor beeinflußt sein.

Entscheidend aber dürfte die gut belegte Beobachtung sein, daß die Globalisierung mit der Herausbildung von global organisierten Produktionsnetzen beziehungsweise „Güterketten“ eine neue Dimension erreicht hat. Es dürfte deshalb nur eine Frage der Zeit sein, bis das Paradigma der „hohlen Konzerne“ von der Computer- oder Bekleidungsindustrie auch auf andere Branchen übergreift.

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