In Berlin möchte ich kein Polizist sein. Die Beamten dort müssen künftig Schilder an der Uniform tragen, entweder mit ihrem Namen oder mit einer Nummer. Ursprünglich sollte diese Regelung schon ab kommenden Januar in Kraft treten, aufgrund heftigen Protests der Deutschen Polizeigewerkschaft wird die Einführung wohl jetzt auf den 1. Juli 2011 verschoben.
Grundsätzlich kann man natürlich der Meinung sein, daß es begrüßenswert sei, wenn man den Beamten gegenüber persönlich ansprechen kann und man als Bürger weiß, wer einem gegenübersteht. Mit dieser Meinung ist man in guter Gesellschaft mit dem Berliner Polizeipräsidenten Dieter Glietsch und Berlins Innensenator Ehrhart Körting. Beide sind der Auffassung, daß in einem demokratischen Rechtsstaat derjenige, der von polizeilichen Maßnahmen betroffen ist, grundsätzlich einen Anspruch darauf hat, zu wissen, wer in seine Rechte eingreift. Körting: „Der Staat tritt seinen Bürger mit offenem Visier entgegen.“
Aber diese Überlegung greift zu kurz, denn auch schon bisher sind Polizisten verpflichtet, auf Nachfrage ihren Namen zu nennen. Zum Beispiel heißt es in der Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung:
Gefahr für Polizisten und ihre Familien
„Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte haben während der Ausübung ihres Dienstes den Dienstausweis mitzuführen. Auf Verlangen der von einer Maßnahme betroffenen Person, bei Dienstausübung in ziviler Kleidung unaufgefordert, haben sie sich auszuweisen. Namenskarten sind auf Verlangen der von einer Maßnahme betroffenen Person auszuhändigen. Diese Pflichten gelten nur, soweit der Zweck der Maßnahme dadurch nicht beeinträchtigt wird.“ In anderen Bundesländern gibt es übrigens gleichlautende oder ähnliche Vorschriften.
Man darf nicht nur das Bild vor Augen haben, daß ein Polizist einer älteren Dame über die Straße hilft und diese ihm dann – dank der Kennzeichnungspflicht – persönlich danken kann. Oder daß der Berliner Bürger den Schutzmann auf der Straße zukünftig persönlich begrüßt: „Hallo Wachtmeister Schulze, noch einen schönen Tag!“
Vielmehr sollte man auch die Szene vor Augen haben, wenn Polizisten Razzien machen, Schläger festnehmen oder Jugendbanden kontrollieren. Mit Namenschildern wird die Arbeit der Polizeibeamten erschwert, denn ihr Privatleben wird quasi mit in den Dienst eingeführt. Nicht selten wird es zukünftig vorkommen, daß es heißt: „Alter, ich weiß wie Du heißt, ich …. Deine Frau.“ Der regierende Bürgermeister in Berlin, Klaus Wowereit, stellte dazu die Behauptung auf, daß sich Polizisten sich da aber keine Sorgen machen müßten. Zudem sei das Tragen eines Namensschildes Ausdruck für die Weltoffenheit der Stadt Berlin.
2009 gab es 2.452 Übergriffe auf Polizisten
Meines Erachtens zeigt das Vorhaben des Berliner Polizeipräsidenten, der SPD, der Grünen und der Linken zum einen, daß diese Polizisten unter einen Generalverdacht stellen möchten. Der Generalverdacht lautet: Polizisten sind unfreundlich, Polizisten sind unhöflich und Polizisten sind immer gewaltbereit. Zum anderen zeigt es, daß ein Teil der politischen Klasse nicht mehr gewillt ist, die ihnen obliegende Fürsorgepflicht gegenüber den eigenen Beamten zu erfüllen. Gefahr besteht hier nicht nur für den Polizeibeamten selber, sondern es entsteht eine Bedrohung auch für dessen Familie und sein Hab und Gut.
Begrüßenswert ist, daß sich die Bundesregierung dagegen ausgesprochen hat, Bundespolizisten mit Namensschildern auszustatten. Was die Polizeikennzeichnung auf Landesebene angeht, kann man nur hoffen, daß andere Bundesländer dem Berliner Irrsinn nicht folgen. Die Innenminister der Länder hätten statt dessen genug zu tun: 2009 gab es 2.452 Übergriffe auf Polizisten, 672 Körperverletzungen und 1.780 Beleidigungen.