Die Überschrift in der Zeit lautete: „Kultivierte Eroberer“. Darunter die Besprechung einer Ausstellung in Karlsruhe über die Vandalen.
Ein Textauszug: „Von wegen destruktiv! Die Vandalen setzten im Jahr 429 nach Afrika über und pflegten dort die römische Kultur, statt sie zu zerstören. (…) Es handelt sich bei ihnen um einen der Fälle, in denen der Sieger sich an die Kultur des Verlierers angepaßt hat. Und zwar mit beispielloser Gründlichkeit. Nach der Eroberung Nordafrikas planschten die Vandalen in Frigidarien und Caldarien, und an ihre germanischen Namen hängten sie lateinische Enden: Thrasamundus, Gunthamundus, Gibamundus. Zwar hatten sie die römischen Machthaber (gewaltsam) vertrieben, aber danach erwiesen sie sich als Meister der Integration und Assimilierung. Sie pflegten die vorgefundene Kultur gerade so, als besäßen sie keine eigene Identität. Innenpolitisch agierten sie maßvoll, regierten ihr Reich 104 Jahre lang relativ stabil, obwohl sie demografisch in der Minderheit waren. Ihr Reiterheer (…) wäre nie in der Lage gewesen, eine aufmüpfige Bevölkerung zu unterdrücken. Man müsse daher ‚von einer Akzeptanz der Vandalenherrschaft ausgehen‘. Als Despoten wären sie nie so erfolgreich gewesen.“
Verfaßt ist der Artikel in einem euphorisierten, überdrehten Tonfall. So verkünden Patienten der Mitwelt, daß ihre Krebsdiagnose sich als falsch herausgestellt hat.
Schnell kommt es zu kriegerischen Konflikten
Wahrscheinlich hätte ich den Artikel einfach überblättert, wenn ich nicht gerade zu dem Thema zwei Bücher gelesen hätte: „Der Untergang des Römischen Reiches und das Ende der Zivilisation“ des britischen Historikers Brian Ward-Perkins und „Der Untergang des römischen Weltreiches“ seines Landsmanns Peter Heather.
Heathers Buch setzt 376 ein, als die Goten, die sich auf der Flucht vor den Hunnen befinden, Einlaß ins Römische Reich begehren. Zuwanderer sind für Rom nichts Neues, aber es ist jetzt zu schwach, um noch die Bedingungen für die Neuansiedlung zu diktieren.
Schnell kommt es zu kriegerischen Konflikten, deren Lasten die einheimische Bevölkerung trägt. 410 wird die Hauptstadt Rom von den Goten geplündert, und 476, im hundertsten Jubiläumsjahr ihres Grenzübertritts, wird der letzte weströmische Kaiser abgesetzt.
Dramatischer Niedergang
Ward-Perkins konzentriert sich ganz auf die kulturellen, wirtschaftlichen und zivilisatorischen Folgen dieser Entwicklung. Von der in den sechziger und siebziger Jahren im Zuge der Entkolonialisierung aufgekommenen Mode, statt vom „Untergang“ von einer „Transformation“ des Römischen Reiches zu reden, hält er gar nichts.
In Wahrheit habe flächendeckend ein dramatischer Niedergang stattgefunden: Der ausgedehnte Handel kam zum Erliegen, die Alphabetisierung ging zurück, die Qualität von Gebrauchsgegenständen, Töpferwaren, Münzen, die landwirtschaftlichen Erträge sanken, wichtige Kenntnisse vom Straßen- und Häuserbau gingen für Jahrhunderte verloren.
Es gab allerdings einige Gegenden, wo der Niedergang sich in milderen Formen vollzog. Zu ihnen rechnet Ward-Perkins auch die nordafrikanische Mittelmeerküste. Doch das waren Ausnahmen, nicht die Regel. Von ihr wollen der Zeit-Autor und die Ausstellungsmacher lieber nichts wissen.