Stell Dir vor, es gibt eine internationale Antirassismuskonferenz und keiner geht hin – aus Angst, er könnte durch die Teilnahme als Rassist gelten. Klingt absurd, ist aber Realität. Daß gerade Deutschland die Tagung der Vereinten Nationen diese Woche in Genf boykottiert, überrascht – zumindest auf den ersten Blick (wenn man nicht weiß, daß es hier um Israel und damit laut Angela Merkel um die „Staatsräson der Bundesrepublik“ geht). Schließlich baut die hiesige Gesellschaft auf den Gesetzen des Antirassismus auf: Fremd ist gut, gleich ist schlecht.
Für die, die es noch nicht wissen: Ich bin Ausländerin. Und ich muß gestehen, ich bin es hierzulande gerne. Denn damit werden mir beinahe alle Fehler und Defizite verziehen – Leistung dagegen erwartet keiner. Sagt man im voraus, daß man eben nicht von hier ist, so wundert sich keiner mehr, warum man sich manchmal so komisch ausdrückt oder keine Sprichwörter versteht (etwas, womit mich meine lieben Kollegen bei der JF übrigens früher gerne aufgezogen haben) oder aus der Reihe tanzt (eine Redensart, die ich doch gelernt habe).
Doch viel bedeutsamer ist, daß ich mit einem Ausländerstatus für die Mehrheit der Deutschen schon mal sympathisch bin, ja sogar ein besserer Mensch. Ob es stimmt, ist egal – für mich kann diese Haltung ja nur von Vorteil sein. Für sie bin ich eben anders, exotisch – und die Deutschen sind verrückt nach allem Fremden.
Man geht mit mir einfach anders um als mit den eigenen Leuten – und zwar keineswegs schlechter. Im Gegenteil habe ich oft bevorzugte Behandlung erfahren dürfen, zum Beispiel bekam ich ein Stipendium nur für ausländische Studenten.
Und wenn hierzulande alles nicht so verläuft, wie man möchte, hat man als Ausländerin noch ein zusätzliches As im Ärmel: Ausländerfeindlichkeit kann man den Deutschen immer vorwerfen. Auch wenn ich das nicht tue, verlockend ist es manchmal schon. Schließlich bieten mir die Deutschen selbst an, in ihrer Wunde herumzubohren und alle Vorteile daraus zu ziehen.
Außerdem kann man sich immer die Rosinen aus dem Kuchen picken: zum Beispiel die Deutschland-Siege bei der Fußball-Weltmeisterschaft. Da war ich gerne kurz Deutsche und feierte mit. Doch wenn es um Schuld oder andere Monopolgefühle geht, da kann ich immer wieder sagen: „Das geht mich nichts an. Ich habe damit nichts zu tun!“ Ich darf es sagen, und man glaubt es mir.
Nun, man kann natürlich so argumentieren wie vor ein paar Jahren ein Antifaschist am Messestand der Jungen Freiheit in Frankfurt: „Du bist ja gar keine echte Ausländerin. Du bist Arier: blond und blauäugig.“ Worauf ich ihn fragte, ob er denn Rassist sei.
Tja, für manche sehe ich einfach nicht fremd genug aus. Wäre es anders gewesen, hätte ich vielleicht andere Erfahrungen gemacht. Doch irgendwie bezweifle ich das. Das Problem der Deutschen ist nämlich nicht Xenophobie, wie es überall heißt, sondern das, was der Antifaschist in Frankfurt bewies (und ich nicht besser hätte formulieren können): Xenophilie und der Haß auf das Eigene.