Eine kleine Erkältung hat mich für ein paar Tage ans Bett – oder ehrlicher gesagt – an den Fernseher gefesselt. Dort durfte ich eine völlig neue Erkenntnis gewinnen. Bisher tat der Sender RTL 2 alles, um sich als Marktführer im Zuschauersegment Prekariat zu positionieren. Frauentausch, Trödeltrupp, Schicksalsreportage, Abenteuer Großfamilie wird von Pokemon, Digimon und Blue Dragon abgelöst, nur unterbrochen durch sogenannte „Infomercials“, die Messer, Bauchwegtrainer und Gemüseschneider bewerben. Aber es geht noch schlimmer. MTV, der ehemalige Musikkanal und Lieblingssender meiner Jugend, hat RTL 2 den Rang als größter Deppensender abgelaufen.
Die Sendeformate sind außergewöhnlich. Der Tag startet mit „Homewrecker“. Angeblich ist die Sendung eine Satire auf die Wohnungs-Verschönerungssendungen (die laufen natürlich auf RTL 2). Dort wird als Rache für gemeine Freunde eine Wohnung komplett versaut. In einer Folge wurden in der ganzen Wohnung kiloweise Haare verstreut und die Lieblingsgegenstände des Opfers in Haargel getunkt. Die Zuschauer durften sich am Leid des Opfers weiden.
„Nachdenken ist für die Schwachen“
Die Abwärtsspirale setzt sich mit „Next“ fort. Dort hat ein männlicher Kandidat fünf „Blinddates“. Sobald eine Dame nervt, ruft der Kandidat „next“. Das Opfer muß sich dann schleichen und die nächste ist dran. Für jede Minute, die ein Mädel durchhält, bekommt sie einen Dollar. Für diesen Preis erklärten sie dann auch offenherzig ihre Vorzüge, so wie Helen: „Meine Fürze riechen nicht.“
Der Höhepunkt ist aber „Fist of Zen“. Dort müssen Jugendliche in einer Bibliothek sonderbare Demütigungen über sich ergehen lassen. Beispielsweise saure Milch trinken, sich einen Fisch ins Gesicht schlagen lassen oder Schüsse aus einer Tennisballmaschine auf den Bauch einstecken. Die Kandidaten dürfen keinen Laut von sich geben. Als Belohnung winken ein paar Hunderter. Begleitend gibt es vom Zenmeister zielgruppengerechte Kommentare: „Nachdenken ist für die Schwachen.“ Da hat er wohl recht.