Gestern feierte das gebührenfinanzierte, öffentlich-rechtliche Fernsehen sich selbst. Sogar die ARD-Tagesschau gönnte dem ZDF den Triumpf und meldete die Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises an dessen Chefredakteur Nikolaus Brender. In der Begründung heißt es: „Nikolaus Brender steht für Qualität und Unabhängigkeit und setzt sie auch gegen Widerstände durch. Er ist nur seiner journalistischen Aufgabe verpflichtet. Er hält Distanz und macht sich nicht gemein.“
Brenders Haltung und die daraus folgenden Handlungen machten insbesondere jüngeren Journalisten Mut, keinem Druck oder Einflußversuch nachzugeben. FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher gab wieder einmal seiner Neigung zum sinnfreien Schwulst nach, als er die Debatte über eine erneute Berufung von Brender kritisierte.
Gegen ihn hatte sich unter anderem der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ausgesprochen. „Es geht hier um die Gefahr eines Eingriffs in die DNA, in das Erbgut des Senders“, so Schirrmacher. Brender habe gezeigt, was kritischer Journalismus bedeuten könne. „Es geht um die Demarkationslinie zwischen Journalismus und politischer Macht.“
Meinungsmonopol mit enormer politischer Macht
Wenn es so einfach wäre! Man muß Roland Koch nicht mögen, um sich am Personal-, Informations- und Deutungsmonopol zu stören, über das die mehr oder weniger linken Sinnproduzenten in den öffentlich-rechtlichen Medien verfügen. Auch Brender gehört zum Meinungskartell – sonst hätte er nicht so hoch steigen können. Er hat dazu beigetragen, daß kaum etwas so vorhersehbar ist wie eine Nachrichtensendung, ein politisches Magazin, ein Kommentar von ARD und ZDF.
Böse sind Berlusconi, die Abtreibungs- und Moscheegegner, die Polizei, die Deutschen – sofern sie sich als Volk verstehen – und alle sonstigen Nazis. Gut sind dagegen Barack Obama, die Klimaschützer, Amnesty International, die Caritas sowie diverse Zentralräte. Wehe den „insbesondere jüngeren Journalisten“, die sich entsprechendem „Druck oder Einflußversuchen“ widersetzen. Mit diesem Meinungsmonopol ist eine enorme politische Macht verbunden, die auch Politiker, welche irgendwie aus der Reihe tanzen, schnell zu Fall bringt.
Kein Märtyrer der Informationsfreiheit
Wer heute die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien zu verteidigen vorgibt, der meint die Freiheit der Informationsproduzenten, öffentliche Gelder ohne konkrete Verantwortung gegenüber den Zuschauern und Rundfunkhörern, gemäß den eigenen Interessen und ideologischen Vorlieben zu verbrauchen.
Das ist der skandalöse Tatbestand, von dem Helmut Schelsky schon vor Jahrzehnten feststellte, daß er zur „Klassenbildung“ unter den Medienmachern beitrüge. Man lasse sich vom Theaterdonner daher nicht täuschen. So wenig man die plumpen Eingriffe der Politik in die Medien gutheißen kann, so wenig ist Nikolaus Brender ein Märtyrer der Informationsfreiheit und Medienvielfalt. Und das „Erbgut“ seines Senders ist – wie so viele andere öffentliche Güter – längst degeneriert.