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Das Ghetto in der Mitte der Mitte

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Das Ghetto in der Mitte der Mitte

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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Für die Ghettoisierung der ostdeutschen Provinz hat sich hierzulande der soziologische Begriff der Exklusion bereits akademisch etabliert, ohne daß die Politik ihn zur Kenntnis nehmen wollte.

Die Folgen der sozialen und kulturellen Devastation insbesondere des ländlichen Raumes werden von einer so kleinen wie couragierten Gruppe unkonventioneller Wissenschaftler im mecklenburgischen Dorf Bollewick untersucht, dem „Von-Thünen-Institut“, das im Wortsinne Grundlagenforschung betreibt, ohne daß ihm dafür Mittel zur Verfügung ständen, die beispielsweise in den „Landeszentralen für politische Bildung“ verpulvert werden, um „Demokratie-Busse“ auszustatten oder mobile Beratungsbüros gegen „Rechte“ zu finanzieren.

Die Phänomene des sozialen Niedergangs, immer verbunden mit kultureller Verödung, gleichen sich im gesamten Europa, das sich politisch allerdings immer nobler im Hochglanzformat präsentiert, um den Menschen unterm blauen Sternenbanner eine „Vereinigung“ schmackhaft zu machen, die zuallererst den im Solde der Wirtschaft stehenden Bürokraten und Kommissaren nützt.

Gesamteuropäische Sozialepidemie

In England beispielsweise etabliert sich eine Art Sansculottentum, das in Verzweiflung und rüdem Auftritt an die Menetekel des vorrevolutionären Frankreich in der Krise des Ancien Régime erinnert. Die Kapuzenshirts tragenden Jugendlichen der weißen Unterschicht mit ihrem harten und coolen Mockney-Akzent nennen sich „Chavs“, ihre Girls „Chavetten“. Während die alten Skinheads noch in einer Subkultur der „working class“ wurzelten und quasi ideologischen Impulsen folgten, besteht die Identität der „Chavs“ in der aggressiven Betonung einer großen Null: Nutzlosigkeit, Dummheit, Promiskuität.

In den sterbenden Industriestädten Englands etabliert sich eine neue Variante zu dem, was im neunzehnten Jahrhundert Charles Dickens und im zwanzigsten David Peace beschrieben. Was bislang jedoch gedeckelt werden konnte, dürfte sich im Ergebnis von Krise und Haushaltspleiten zu einer gesamteuropäischen Sozialepidemie auswachsen, die alsbald eine existentielle Frage aufwirft:  Wie wird sich die schwer wägbare Masse innerhalb der Exklusion verhalten? Die sogenannte „politische Mitte“ und deren Formulierer wünschen sich offenbar eine Apathie der Ausgestoßenen bei Minimalalimentierung. Verdrängung ist von jeher die Reaktion des Mittelstandes auf die eigenen Abstiegsängste.

Was geschieht jedoch, wenn die Zahlreichen, die heute noch beschämt in Nebenstraßen und vor Hinterausgängen verbilligte Lebensmittel empfangen, nicht mehr abgespeist oder mit RTL sediert werden können? Werden sie dann rekrutiert statt alimentiert? Finden sie eine eigene politische Artikulation? Welche wäre es? Wer nutzte sie?

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