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Mein Weg vom Islam zum Christentum: Gott und ich

Mein Weg vom Islam zum Christentum: Gott und ich

Mein Weg vom Islam zum Christentum: Gott und ich

Mirzo
Mirzo
Laila Mirzo Foto: privat
Mein Weg vom Islam zum Christentum
 

Gott und ich

Über Religion zu schreiben fällt mir nicht leicht, da der Glaube für mich etwas sehr Persönliches ist. Wie ich vom Islam zum Christentum konvertiert bin, dahinter steckt weniger ein Erweckungserlebnis als vielmehr eine Reihe von Begegnungen und Erlebnissen. Von Laila Mirzo.
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Über Religion zu schreiben fällt mir nicht leicht, da der Glaube für mich etwas sehr Persönliches ist. Wie ich vom Islam zum Christentum konvertiert bin, dahinter steckt weniger ein Erweckungserlebnis als vielmehr eine Reihe von Begegnungen und Erlebnissen. Das Weizenfeld meines Glaubens wurde mehre Male gepflügt, bevor die Saat aufgegangen ist und die Halme nun Ähren tragen.

Ich wurde in Damaskus als Muslimin geboren, da man im Islam automatisch und ohne Aufnahmeritual die Religion des Vaters erbt. Dabei war mein Vater selbst kein gläubiger Mensch. Er war Atheist und beschäftigte sich als Philosoph mehr mit den Menschen als mit ihren Göttern. Doch obwohl er an keinen Gott glaubte, sagte er immer zu mir „Ich sage nicht, daß es Gott nicht gibt, ich sage nur, daß ich nicht an Gott glaube“. Damit ließ er mir die Freiheit zu wählen und das weiß ich noch heute sehr zu schätzen.

Da ich aber offiziell Muslimin war, hatte ich in der Schule Koranunterricht, mußte Dutzende Suren auswendig rezitieren und mich zu Mohammed bekennen. Im Ramadan habe ich oft vormittags gefastet, um den „Zungentest“ vor meinen Mitschülern zu bestehen. Hatte man lange nichts getrunken oder gegessen, war die Zunge weiß. Ich stand unter besonderer Beobachtung, da ich die Tochter einer „Kafira“, einer Ungläubigen war. Meine Mutter war doppelt verdächtig, was suchte schließlich eine Deutsche, eine Christin, Mitte der siebziger Jahre auf dem unwirtlichen Golan? Nur eine israelische Spionin würde diese Strapazen auf sich nehmen und sogar ein Kind zwischen Felsen und Disteln großziehen, hieß es.

Kein Platz für Gott im Leben

Immer wenn die Esel der Nachbarn sich an unseren jungen Olivenbäumen machten und meine Mutter sie verjagte, wurde sie als Kafira oder als Jüdin beschimpft. Zog ich den Groll auf mich, war ich die Tochter der Ungläubigen, die Tochter der Jüdin.

Meine Mutter war katholisch erzogen worden, hatte sich aber der Kirche abgewendet. Aber dennoch feierten wir zuhause in Syrien die hohen christlichen Feiertage. Im Advent banden wir einen Kranz aus Eukalyptuszweigen und zu Weihnachten zimmerten wir einen Christbaum aus Zypressenästen. Aber das Beste kam zu Ostern. Dann liehen sich meine Eltern nämlich ein original Beduinenzelt aus, stellten es auf der Wiese vor dem Haus auf und luden all unsere Freunde ein. Es gab dann gegrilltes Lammfleisch und gefärbte Eier. Es war aber immer mehr Folklore als Religion.

Als ich dann mit elf Jahren zusammen mit meiner Mutter zurück nach Deutschland zog, begleitete ich am Karsamstag meine Oma zum Gottesdienst. Sie hatte geräucherten Schinken, Eier und einen Leib Brot im Korb mitgenommen. Was der Pfarrer genau machte, verstand ich damals nicht. Gefragt, wie es denn in der Kirche war, antwortete ich: Oma hat Eier und Schinken taufen lassen. Heute weiß ich, daß es die Speisenweihe war.

In den folgenden Jahren hatte ich in der Schule Ethikunterricht und rebellierte während der Pubertät gegen meine Eltern, den Autoritäten und natürlich gegen Gott. Er hatte mich nicht gefragt, ob ich auf dieser Welt sein wollte, also interessierte es mich auch herzlich wenig, was er so machte. Ich nahm es ihm übel, in welchem Zustand die Welt war und mache ihn dafür verantwortlich, was die Menschen sich gegenseitig antaten. Mit einem Gottesbild, das nachtragend, eifersüchtig und rachsüchtig ist, konnte ich wenig anfangen. Kurzum, ich hatte in meinem Leben keinen Platz für Gott.

Warum hast du mich verlassen?

Ein paar Jahre später sollte unsere ohnehin belastete Beziehung auf eine harte Probe gestellt werden. Ich war im 6. Monat schwanger mit meinem ersten Sohn, doch ich hatte einen Infekt, die Wehen setzten viel zu früh ein und mein Kind starb, als es zur Welt kam. Die Lunge war noch nicht ausgereift, er hatte keine Chance. Die Hebamme fragte, ob wir ihn taufen lassen wollten und wir stimmten dem zu. Sein noch warmer Körper lag auf meiner Brust und sein Vater goß unter Tränen das Weihwasser über sein Köpfchen.

Als ich zurück ins Krankenzimmer geschoben wurde, starrte ich auf das Kreuz an der Wand und die Trauer wurde von unbändiger Wut abgelöst: „Was willst du von mir? Bist du jetzt zufrieden? Ist das deine Allmacht?“ schrie ich das Kruzifix an.

Drei Tage später war die Beerdigung, der Dorfpfarrer hielt eine von Mitgefühl und Trauer gezeichneten Rede. Der Friedhofshelfer legte anschließend den kleinen weißen Sarg ins Grab, selbst er wurde vom heftigen Schluchzen geschüttelt. Als die Erde den Sarg bedeckte, wurde es leichter, der Abschied war vollbracht.

Es war Mitte Mai, die Natur explodierte, alles blühte, nur ich war innerlich verwelkt. Ich hörte die tröstenden Worte nicht, denn für diesen Schmerz gibt es keinen Trost.

Er klopfte an meine Tür

Etwa zwei Jahre später begegnete ich dem Pfarrer auf dem Friedhof wieder. Diesmal war er es, der sichtlich gezeichnet war. Im Ort hatte es innerhalb kürzester Zeit zwei Selbstmorde gegeben. Eine Tragödie für die betroffenen Familien, als Seelsorger war es schwer, die richtigen Worte zu finden. Ich fragte ihn, ob er denn jemanden zum Reden hätte, und er verneinte. Also lud ich ihn auf Kaffee und Apfelstrudel ein. Er nahm die Einladung an und es ergab sich ein langes und sehr emotionales Gespräch.

Da ich als Muslimin nicht zu seiner Seelengemeinde gehörte, konnte er sich wohl leichter öffnen und endlich über seine Gefühle, Ängste und Sorgen sprechen. Aus dem Nachmittag mit Kaffee und Apfelstrudel ergab sich eine Freundschaft und schließlich die Frage, ob ich denn seine Pfarrsekretärin werden wolle. Ich bräuchte mich nicht taufen zu lassen, meinte er. Aber ich sah schon die Schlagzeilen in der Zeitung: „Skandal! Muslima arbeitet im Pfarrhaus.“ Also setzten wir den Tauftermin fest, und es war der Kirchtag der Senioren.

Vor dutzenden Goldhauben und Trachtenhüte mit Gamsbärten vollzog er die Taufe mit der obligatorischen Frage: „Glaubst du an die katholische Kirche?“ Und dann kam es, er fügte noch laut und deutlich hinzu: „Mit all ihren Fehlern?“

Gott schenkt uns die Vernunft

Ich habe mich letztendlich für Gott entschieden. Heute bin ich gläubig, aber nicht religiös. Wir reden viel, diskutieren, streiten sogar. Aber unsere Beziehung hält das aus. Ich bin auch für die kleinen Dinge dankbar, denn sie sind nicht selbstverständlich. In der Natur bin ich Gott näher als in einer Kirche, da mich dort nichts ablenkt. In allem, was ich sehe, entdecke ich Gott und ich weiß, daß der Mensch nach seinem Abbild geschaffen worden ist.

Denn Gott schenkte uns die Vernunft, den freien Willen und die Liebe, für mich göttliche Attribute, die den Menschen zum Menschen machen. Ich sehe Gott als einen Vater, der uns immer liebt, egal wie sehr wir uns auch von ihm abwenden mögen. Er ist nicht rachsüchtig und nicht nachtragend.

Er hat kein kleines Ego, er braucht uns nicht, wir brauchen ihn. Ich denke, daß es ihm nur wichtig ist, daß wir gute Menschen sind. Egal, ob wir aus religiösen Motiven handeln oder uns an der Ethik orientieren. Ich weiß, daß Gott all seine Kinder liebt, auch diejenigen, die von der Kirche oder den anderen Religionsgemeinschaften verstoßen werden. Der Glaube sollte von Liebe getragen sein und nicht von Dogmen.

Ich habe gelernt, daß alles im Leben einen Sinn hat. Auch wenn ich etwas nicht verstehe oder sogar als ungerecht empfinde, hat es mich doch weitergetragen und ich war danach Gott näher als vorher. Aus jeder Niederlage erwuchs eine neue, oftmals eine bessere Gelegenheit, ergab sich ein neuer Weg. Ende und Neubeginn, Tod und Leben, nichts symbolisiert diesen Kreislauf besser als das Osterfest: Die Auferstehung nach dem Tod.

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Laila Mirzo Foto: privat
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