Anzeige
Anzeige

Anfang vom Ende der Ära Merkel: Die Mutter aller Probleme

Anfang vom Ende der Ära Merkel: Die Mutter aller Probleme

Anfang vom Ende der Ära Merkel: Die Mutter aller Probleme

Merkel
Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Bayernwahl Foto: picture alliance/AP Photo
Anfang vom Ende der Ära Merkel
 

Die Mutter aller Probleme

Wie armierter Beton schien das Machtsystem von Angela Merkel Partei und Fraktion umklammert zu haben. Doch jetzt wohnen wir der Implosion bei. Mit Volker Kauder verliert die CDU-Chefin ihre Machtstütze in der Fraktion. Ihre Tage als Kanzlerin sind gezählt. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
Anzeige

Wie armierter Beton schien das Machtsystem von Angela Merkel Partei und Fraktion umklammert zu haben. Doch jetzt wohnen wir der Implosion bei. Gegen den Willen der Kanzlerin und CDU-Chefin trat mit Ralph Brinkhaus ein Gegenkandidat zu Merkels langjährigem Getreuen und wichtigster Machtstütze Volker Kauder bei der Wahl zum Fraktionsvorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an – und setzte sich am Dienstag überraschend deutlich durch.

Kauder, „Merkels Einpeitscher“ (Wolfram Weimer), hat sich halsstarrig einen ehrenvollen Abgang verbaut, obwohl ihm selbst wohlmeinende Parteifreunde schon seit längerem signalisierten, daß es mit 69 Jahren Zeit wird aufzuhören. Jetzt siegte Brinkhaus nach der ersten Kampfabstimmung in der Unionsfraktion seit Jahrzehnten. Das zeigt: Die Zeit der Alternativlosigkeit ist vorbei – die Abgeordneten hatten in einer entscheidenden Frage eine Altnative und haben sie genutzt. Das wird Mut zu mehr machen. Die Unionsfraktion wird beweglicher werden.

Mißtrauen, Panik und Chaos

Brinkhaus hat gewonnen, nicht nur weil er jünger ist (50), sondern weil er für breite Kreise in der Union wählbar war, weil er nicht strikt auf Gegenkurs zur unbeliebter werdenden Kanzlerin gegangen ist. In Finanzfragen war er stets braver Parteisoldat. Seine Reden hätten im Kanzleramt oder Finanzministerium geschrieben worden sein können. Brinkhaus gilt als eher konservativ mit einem fast schon anachronistisch traditionellen Lebenslauf (Bundeswehr, ordentlicher Beruf, Familie), es war jedoch ein gelungener Schachzug, sich dennoch als „Marke für alle“ aufzubauen.

Das Erdbeben im Zentrum der parlamentarischen Macht verstärkt den Eindruck: Deutschland hat keine stabile Regierung mehr. Es herrschen Mißtrauen, Panik und Chaos unter den Akteuren der Großen Koalition in Berlin. Nicht anders ist zu erklären, wie abenteuerlich die Spitzen von CDU, CSU und SPD mit dem Mord von Chemnitz und der medial angefachten Affäre um den Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen umgegangen sind.

Im Zentrum gärt der ungelöste Ehekrach zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer. Das Wort von der „Herrschaft des Unrechts“, das der CSU-Chef im Februar 2016 unter dem Eindruck massenhafter Übergriffe in der Kölner Silvesternacht über die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin aussprach, steht noch immer im Raum. Die Migrationsfrage, die „Mutter aller Probleme“ (Seehofer) ist es, die das Land lähmt.

Der Konflikt um eine laxe Politik offener Grenzen auf der einen und der Wunsch nach einer Rückkehr zu einem strengen Grenzregime andererseits spaltet nicht nur die Gesellschaft, er zieht sich als tiefer Graben quer durch die Unionsparteien. Das Verhältnis zwischen Kanzleramt und Sicherheitsbehörden gilt zudem seit Herbst 2015 in alarmierender Weise als tief zerrüttet, wie der Fall Maaßen bewies.

Merkels Autorität verfällt seit längerem

Neben den völlig verkrachten Unions-Eltern rutscht die SPD demoskopisch weiter in den Abgrund. In einer Zangenbewegung zwischen der Wagenknecht-Linken und der AfD bringen die Sozialdemokraten nicht mehr die Kraft zu einer Kurskorrektur auf. Gefangen in einer Großen Koalition der Verlierer schlägt Parteichefin Nahles irrational um sich und ist Getriebene eines linksradikalen Flügels, der die Partei mit „Open border“- und Antifa-Kurs weiter in die Bedeutungslosigkeit treibt.

Es ist unübersehbar, daß die Autorität der Kanzlerin schon seit längerem verfällt. Es herrscht Endzeitstimmung in Berlin, Bunkeratmosphäre. Seehofer soll seine Nächte einsam im Innenministerium verbringen. Merkel, sonst penetrant stoische Ruhe ausstrahlend, wirkt zuletzt immer fahriger, nervöser und verbarrikadiert sich im Kanzleramt.

Der Coup von Ralph Brinkhaus gegen Volker Kauder ist ein Signal für das Ende der ewigen Kanzlerin. Das Wasser steigt der Regierung bis zum Hals. In den jüngsten Umfragen fallen die Werte von Union und SPD erneut. In Hessen unterschreitet die CDU die 30-Prozent-Marke, in Bayern nähert sich die CSU ihr zusehends. AfD und Grüne als die beiden eigentlichen Antipoden im Parteiensystem legen indes weiter zu. Merkel, Seehofer und Nahles wissen keine Antwort mehr, wie sie den Wassereinbruch im leckgeschlagenen Regierungsschiff stoppen können. Es herrscht kein Teamgeist auf der Brücke, stattdessen prügeln sie sich wie Passagiere auf der sinkenden Titanic um die verbleibenden Plätze in den Rettungsbooten.

Merkels Hausmacht ist weg

Aneinandergekettet in einer Koalition der nackten Angst, schielen die Akteure auf die sinkenden Umfragewerte, die kommenden Landtagswahlen. Ein Platzen des Regierungsbündnisses und Neuwahlen würden den Abstieg indes noch beschleunigen. Ein Rücktritt der Kanzlerin wäre deshalb jetzt ein Befreiungsschlag.

Wenn Merkel dennoch bleibt – und sie ist für ihre Sturheit bekannt – wird die Union die Landtagswahlen in Bayern und Hessen haushoch verlieren. Sie wird die Europawahl 2019 verlieren. Sie wird die weiteren Landtagswahlen im Osten dramatisch verlieren. Die AfD könnte in einem oder sogar zwei Ländern stärkste Partei werden. Merkel trägt mit ihrem seit Jahren vorangetriebenen Linkskurs der CDU die Verantwortung für die Etablierung der AfD.

Die „Marke Merkel“ hat ausgedient. Träte sie sofort zurück, wäre es ein Ende mit Schrecken. Bleibt sie, wird das für alle Beteiligten ein Schrecken ohne Ende. Weder Neuanfang noch Korrekturen sind mit Merkel möglich. Sie ist das Problem, und Brinkhaus ist nicht die Lösung. Er könnte aber derjenige sein, der die Barrikaden am Kanzleramt überwindet und sie schließlich zum Rücktritt bringt.

Mit der Wahl von Brinkhaus zeigt sich auch: Merkel hat den NRW-Landesverband verloren – ein Drittel der Delegierten auf Bundesparteitagen. Das war ihre Hausmacht. Die ist weg. Es herrscht Endzeit im Kanzleramt.

JF 40/18

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Bayernwahl Foto: picture alliance/AP Photo
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
aktuelles