Die Familienministerin bemüht sich. Aber ihr Thema ist bei Journalisten und Politikern nicht gefragt. Und selbst das großangelegte Demographieforum vergangene Woche, dem in der Tat eine weitertragende Zukunft zu wünschen ist, fand nur wenig Widerhall in der Journaille. Jedem Umweltreport eines mittelmäßigen Vereins, jedem Jahrbuch eines Tierschutz- oder Verbraucherverbands, jeder noch so abwegigen Spekulation über den Bundespräsidenten wird mehr mediale Aufmerksamkeit zuteil als der Familie in Deutschland. Dabei hat der Familienreport 2011 durchaus mehr zu sagen über die Lebenssituation der Menschen als die Medienschaffenden ahnen.
Dabei geht es keineswegs nur um das leidige Krippenthema. Nicht nur Eltern von Kleinkindern, sondern auch 56 Prozent der Eltern von Schulkindern legen beim Thema Vereinbarkeit die Stirn in Falten. Denn das Thema Vereinbarkeit hat einen wirklichen Namen: Zeit. Und einen Nachnamen: Flexibilität. Im Report heißt es: „Flexible Arbeitszeiten sind für viele Eltern entscheidend, um Familie und Beruf übereinzubringen“.
Zeit ist der Preis, den Eltern, aber auch die Gesellschaft für die Wirtschaft und für ihre eigene wirtschaftliche Sicherheit zahlen: „Insgesamt stehen Kinder der Berufstätigkeit ihrer Mütter und Väter positiv gegenüber. Insbesondere sehen sie sehr klar, daß diese ihnen finanzielle und materielle Sicherheit bringt. Dies wird jedoch durch den Verzicht auf gemeinsam verbrachte Zeit erkauft, was die Kinder insgesamt bedauern. Zudem wird von einem Teil der Kinder auch Anspannung und Ungeduld der Eltern als Schattenseiten der Berufstätigkeit erlebt.“
Die Mehrheit der Kinder wächst in bei verheirateten Eltern auf
Mit anderen Worten: Die Familie zahlte früher vor allem finanziell die Zeche für das am Individuum ausgerichtete Sozialsystem (nur eine Rente, wenn die Mutter für die Kinder zu Hause blieb). Gewinner dieser Entwicklung ist die Wirtschaft. Statt sich an den Wünschen der Eltern zu orien-tieren – von lobenswerten Ausnahmen abgesehen –, jammern die Funktionäre ihrer Verbände über fehlende Fachkräfte und fordern mehr Krippen oder lassen Professoren diese Forderung mit dem Nimbus einer wissenschaftlichen Kompetenz vortragen, die sie de facto nicht haben. Hier versagt der Report. Verlierer sind die Familien – und die Ehe. Denn auch sie braucht, wie jede Beziehung, Zeit.
Vielleicht holt die Familienministerin das irgendwann einmal nach. Dann sollte sie auch eine weitere Aussage des Reports herausstellen, die in den Medien gern unterschlagen wird: „Familien in Deutschland bleiben stabil: 75,7 Prozent aller Kinder in Deutschland wachsen bei ihren verheirateten Eltern auf. Nimmt man die Eltern hinzu, die unverheiratet zusammenleben, sind es 83 Prozent.“
Die Ehe ist die stabilste Lebensform
Wenn die Kinder dieser Generation einmal den Report lesen werden, werden sie fragen: Und warum habt ihr dann für die Familien nicht mehr getan, ihnen nicht mehr Zeit und uns mehr Geschwister gegönnt? Und wenn man weiter im Sinn der Kinder und der emotionalen Stabilität – Voraussetzung für eine gelingende Erziehung, was übrigens auch der Wirtschaft nützt – denkt, dann stellt sich die Zusatzfrage: Warum habt ihr nicht stärker die Ehe gefördert und gestützt, so wie es in eurem Grundgesetz steht?
Die Ehe ist nach wie vor die Lebensform, die Jung und Alt bevorzugen. Fast 90 Prozent aller in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Paare sind verheiratet. Die meisten dieser Ehen sind auch dauerhaft: Etwa 60 Prozent der Ehen in Deutschland werden erst durch den Tod eines Ehepartners gelöst. Die lebenslange Freundschaft ist der Wunsch der meisten Jugendlichen. Verläßlichkeit, Treue, emotionale Sicherheit – die Ehe bietet den institutionellen Rahmen dafür.
Es ist die Freundschaft des Lebens. Ihre Stabilität hat einfache, nachweisbare Gründe: Verheiratete Frauen und Männer weisen im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung, einen besseren Gesundheitszustand, eine günstigere Einkommenslage und eine größere Lebenszufriedenheit auf. Die Ehe wird deshalb von Gesundheitsforschern auch als die „intensivste Form der sozialen Unterstützung“ beziehungsweise die „soziale Beziehung par excellence“ angesehen.
Eine Erfolgsgeschichte
Der Familienforscher Stefan Fuchs sagt es so: „Die durch den Bund der Ehe eingegangene wechselseitige Verpflichtung auf Lebenszeit schafft Vertrauen. Dieses Vertrauen ermöglicht ehespezifische Investitionen in die Zukunft. Diese Investitionen ‘zahlen’ sich in der Regel langfristig aus – als ‘Return on investment’ für die Eheleute und als ‘externe Effekte’ für das Gemeinwesen. Der für die Zukunft des Gemeinwesens bedeutsamste ‘externe’ Effekt der Ehe sind Kinder: Mehr als 85 Prozent der (dauerhaft) verheirateten Paare haben Kinder. Dagegen haben nur etwa 20 Prozent der nichtehelich zusammenlebenden Kinder. Nicht das Zusammenleben in mehr oder weniger verbindlichen ‘Lebensgemeinschaften’, sondern die Ehe zwischen Frau und Mann sichert durch die Erziehung von Kindern die Zukunft des Gemeinwesens.“
Das sind belegbare, einfache Zusammenhänge. Die Ehe ist die Erfolgsgeschichte der Gesellschaft. Sie ist der Kern der Familie und insofern der Kern aller Sozialordnung. Darauf sollte der Familienreport hinweisen und entsprechende Forderungen aufstellen. Dafür müßte man in Politik und Medien aber die Brillen der Ideologie und Selbstrechtfertigung für den eigenen Lebensstil ablegen.
JF 04/12