Warum jetzt? Warum mitten im Wahlkampf? Das waren wohl die Fragen, die nach Bekanntwerden des Rücktritts von CIA-Chef George Tenet in den Medien am häufigsten gestellt wurden. Viele sehen in Tenets Rücktritt ein „Bauernopfer“, das US-Präsident George W. Bush gebracht hat, um sich den Rücken freizuhalten. Diese Sicht der Dinge greift zu kurz. Denn auf den Rücktritt von Tenet folgte der von James Pavitt, dem Leiter der Auslandsspionage. Alles dies läßt darauf schließen, daß bei der CIA ein größeres Revirement ansteht. Daß Tenet bei seinem Abgang nur das Wohl seiner Familie vor Augen hatte, mag glauben, wer will. Einiges spricht dafür, daß er einem Rausschmiß nur zuvorgekommen ist. Denn über Tenet hatten sich zuletzt dunkle Wolken zusammengezogen. Der Geheimdienstausschuß des Senats hat gerade einen geheimen Bericht über die Mißgriffe der CIA im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg fertiggestellt. Da soll von unverzeihlichen Informationslücken, Irrtümern, unzureichenden Analyse und anderem mehr die Rede sein. Tenet, der eine Ladung für diesen Ausschuß hatte, sagte diese kurzfristig ab. Er wird wissen, warum. Genausowenig schmeichelhaft für Tenet und seine Behörde soll der Schlußbericht der 9/11-Kommission ausgefallen sein. Dazu kommen eine Reihe von Skandalen. Zuletzt stand der obskure irakische Politiker Ahmed Tschalabi, der auf der Gehaltsliste der CIA stand, im Verdacht, als Doppelagent für den Iran tätig gewesen zu sein. Dies alles reicht für einen vorzeitigen Abgang. Weitergehende Spekulationen erübrigen sich vor diesem Hintergrund von selbst.
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