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Gemeinsinn

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Die Berliner Rentnerin Christa L. (75) scheint nun jenen empirischen Nachweis erbracht zu haben, um den sich die offiziellen Statistiken herumdrücken: Seit 17 Jahren dokumentiert sie ihre immergleichen Einkäufe und kann nun bilanzieren, daß ihre Ausgaben für Lebensmittel seit dem Abschied von der D-Mark um 58 Prozent gestiegen sind. Der Euro droht sich im Lichte dieses Zahlenwerks tatsächlich als ein „Teuro“ zu entpuppen. Das Fazit der Einkaufschronistin ist auf den ersten Blick nicht leicht zu entkräften. Es entspricht der Beobachtung, die viele meinen gemacht zu haben. Als ehemalige Leiterin eines Lebensmittelgeschäfts kann Christa L. zudem nicht einfach als geizige und durch Verschwörungstheorien über Hersteller und Handel geprägte Verbraucherin abqualifiziert werden, sondern ist als Marktexpertin anzuerkennen. Umso wichtiger ist es, die neue Währung gegen ihre Polemik zu verteidigen. Zunächst ist dabei ihre wissenschaftliche Methode zu kritisieren. Sie ignoriert, daß von Alltagserfahrungen eines Einzelnen keine seriösen Schlüsse auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten möglich sind. Es mag sein, daß ihre Schlußfolgerungen für ihren ganz persönlichen Bereich korrekt sind. Es mag auch sein, daß entsprechende Beobachtungen von Millionen anderer Verbraucher, die sich in der Regel allerdings eher auf ihre Intuition als auf ein derart akribisch geführtes Einkaufsbuch stützen dürften, für ihre jeweilige individuelle Lebenssphäre Gültigkeit beanspruchen können. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, daß entsprechendes auch für die Gesellschaft als ganzes gelten muß. Natürlich erlaubt es die Philosophie der Konsumentensouveränität (und legt es vielleicht sogar nahe), daß wir ständig über zu hohe Preise lamentieren, um Druck auf jene auszuüben, von denen wir etwas erwerben wollen. Wir sollten dabei aber dennoch soviel Gemeinsinn aufbringen, nicht die Währung als eine der letzten Institutionen unserer Ordnung, die nach all den Reformen bleiben wird, zu demontieren. Und überhaupt: Was wäre damit schon festgestellt, wenn die Lebensmittelpreise in den letzten zwei Jahren tatsächlich so drastisch gestiegen sein sollten? Könnte man dies wirklich dem Euro anlasten? Was kann die Währung dafür, wenn die Preise in die Höhe schnellen? Der Euro vermag sehr wohl Preisstabilität auch dann zu gewährleisten, wenn wir tiefer in die Tasche greifen müssen. Zudem dürfen wir eines nicht vergessen: Die europäische Gemeinschaftswährung kann durch eine primitive technokratische Betrachtung nicht erschöpfend bewertet werden. Sie hat nämlich auch eine moralische Dimension. Wir haben in Deutschland zwar nie über die Währungsumstellung abstimmen dürfen. Uns ist aber nicht verschwiegen worden, daß sie der Erhaltung von Frieden und Stabilität zumindest auf unserem Kontinent dient. Ist es nicht legitim, daß die Bürgerinnen und Bürger dafür auch ein klein wenig zur Kasse gebeten werden?

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