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Deutsch als Wissenschaftssprache fördern?

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Niemand bezweifelt ernsthaft, daß die englische Sprache für den internationalen wissenschaftlichen Austausch unverzichtbar ist. Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft werden nicht müde, die zweifellos vorhandenen Vorteile der Mehrsprachigkeit für das berufliche Fortkommen und die Erweiterung des Horizonts herauszustellen. Häufig dieselben Personen setzen sich aber auch dafür ein, an deutschen Hochschulen Englisch als beherrschende Lehr- und Verständigungssprache durchzusetzen. Verwundert schüttelt man ob dieser Forderung den Kopf. Ausgerechnet bei den Begabtesten im Lande soll eine (fremd)sprachliche Monokultur das Maß aller Dinge sein? Die Abkopplung der Wissenschaft in Deutschland von der Landessprache wird oft mit dem Hinweis darauf verteidigt, daß früher schließlich Latein auch internationale Wissenschaftssprache gewesen sei. Der Romanist Jürgen Trabant weist in seinen Untersuchungen nach, daß die Herausbildung nationaler Wissenschaftssprachen nach 1700 maßgeblich zum naturwissenschaftlich-technischen Fortschritt beitrug. Breite Schichten fanden den freien Zugang zur Bildung, die Forschungsergebnisse waren nicht nur Fachleuten zugänglich, sondern allen Interessierten. Gelehrte und Handwerker sprachen von nun an dieselbe Sprache, konnten sich mit ihren Ideen gegenseitig befruchten. Die Wissenschaftssprache Deutsch ist ein unverzichtbares Scharnier zwischen geistig-intellektuell und handwerklich-praktisch Begabten in unserem Land. Der Übergang zu Wissenschaftsenglisch verschlechtert unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und führt nur zu einer McDonaldisierung im Forschen und Denken. Prof. Dr. Hans-Manfred Niedetzky war Produktmarketingmanager in der Telekommunikationsbranche und lehrt seit 1990 Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Pforzheim. Der Hauptgrund, warum Deutsch als Wissenschaftssprache kaum noch Gewicht hat, ist in der katastrophalen deutschen Geschichte der letzten hundert Jahre zu suchen. Vor dem Ersten Weltkrieg war Deutsch gleichrangige internationale Wissenschaftssprache mit dem Englischen, in den Naturwissenschaften wurde sogar mehrheitlich auf deutsch publiziert. Nach dem Weltkrieg waren die deutschsprachigen Länder wirtschaftlich ruiniert und in ihren wissenschaftlichen Möglichkeiten eingeschränkt. Die Massenvertreibungen in der Zeit des Nationalsozialismus taten ihr Übriges, um das Schicksal des Deutschen in der Wissenschaft zu besiegeln. Im Ausland stimulierten die Vertriebenen die Forschung, stellten aber notgedrungen meist auf eine andere Sprache um. Der Zweite Weltkrieg zerstörte vollends die materiellen Grundlagen für die Wissenschaften in Deutschland. Seitdem gibt es eine Art „Brain drain“, die Abwanderung von Köpfen, die bis heute anhält. Die angelsächsische Welt gibt rund ein Prozent mehr ihres Bruttoinlandsproduktes für die Wissenschaft aus als Deutschland. Wenn wir prozentual gleichviel ausgäben wie die USA, könnten hier 50.000 Professuren zusätzlich eingerichtet werden. Ein weiteres Problem besteht im Vorherrschen englischer Termini. Sollen es sich Wissenschaftler und Studenten antun, alle Fachausdrücke zu übersetzen? Zwei Mengen an Termini – neben jedem englischen noch eine deutsche Übersetzung – wären kaum zu bewältigen. Der Nachteil einer rein englischsprachigen Wissenschaft ist jedoch leider die „Erhöhung des Elfenbeinturms Wissenschaft“. Es ist einerseits in unserem Interesse, daß Deutsch eine gewisse Stellung als Wissenschaftssprache behält, denn so können wir besser formulieren als in einer Fremdsprache. Andererseits müssen alle Wissenschaftler heute Englisch können – und wo sollten sie dies besser lernen als auf der Universität? Das ist ein Balanceakt, der von Fach zu Fach unterschiedlich austariert werden muß. Prof. Dr. Ulrich Ammon ist Präsident der Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL) in Duisburg.

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