Skurriler geht immer. Zumindest nach Einschätzung des Leiters der Bibliothek des Konservatismus, Dr. Wolfgang Fenske: „Wir alle kennen das: Immer, wenn man sich denkt, mehr Absurdität geht nicht, stellt man fest – der Irrsinn geht weiter.“ Doch wie viel Irrsinn verträgt ein Land? Fenskes Gäste in der Bibliothek, Henryk M. Broder und Reinhard Mohr, versuchen am Mittwochabend, die Frage mit Auszügen aus ihrem neuesten Buch „Durchs irre Germanistan – Notizen aus der Ampel-Republik“ zu beantworten.
Mit seiner Begrüßung ruft Broder sofort lautes Gelächter hervor: „Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft ‘Sozialdemokraten am Rande des Zusammenbruchs‘.“ Und merkt an, daß es bisher nur eine Rezension des Buchs gegeben habe – ausgerechnet in der Süddeutschen Zeitung. Noch überraschender sei für ihn gewesen, daß die Bewertung „wohlwollend positiv“ ausfalle: „Andere Rezensenten waren damit beschäftigt, Richard David Precht zu besprechen, und andere Erfolgsautoren, deren Bücher ich nicht mal mit dem spitzen Finger anfassen würde.“
Spott über Lauterbach und Hexen
Eine Stunde lang rechnen Mohr und Broder mit der Politik der letzten zweieinhalb Jahre ab. Den Autoren geht es jedoch nicht darum, die „großen politischen Fragen“, zu behandeln, sondern mit den wenigen Auszügen „die Kleinigkeiten des Alltags freundlich und gnadenlos“ auseinanderzunehmen. Dazu gehören die Vier-Tage-Woche, die Transgender-Problematik, die „begleitende Aufarbeitung der Geschichte“ während der angestrebten Olympischen Spiele in Berlin sowie die sogenannte Gendersprache.
Hin und wieder lassen die Publizisten auch spontane spöttische Anmerkungen fallen. „Das Buch, welches ‘Durchs irre Germanistan‘ heißt, muß natürlich mit einem Kapitel über Karl Lauterbach anfangen“, merkt Broder an, denn alles andere würde „viele Erwartungen enttäuschen“. Als Mohr einen Essay über „kulturelle Aneignung“ von Mexikanern vorliest, fällt ihm ein, auch „Tipi am Kanzleramt“ müßte verbannt werden. Und als er eine Debatte um Hexenverfolgung in Subsahara-Afrika erwähnt, unterbricht Broder: „Gewiß ein Randthema, nicht nur die Hexen.“
An aktueller Politik mangelt es dennoch nicht. Mehrfach kommentieren die Autoren den Nachgang des Potsdamer Treffens spöttisch. Bevor Mohr das DDR-Agitationslied „Sag mir, wo du stehst“ rezitiert, merkt er an: „Sie sehen, wie wichtig es ist, gerade in diesen Tagen.“ Einmal ruft Broder „Alle zusammen gegen den Faschismus“ und bittet später um Entschuldigung, daß er sich „nicht nachhaltig genug“ von diesem distanziere.
Broder: „Ohne Rechte ist eine Demokratie keine“
Während der Fragerunde wird der Ton bisweilen ernster. Broder nennt es den „reinen Wahnsinn“, daß sich die Politik derzeit darum drehe, „den Nazis“ die Bühne zu verweigern. Der Kampf gegen Rechtsextremismus sei für die Protestierenden auf den Straßen „passé“, nun gehe es um „Rechts“. Doch eine Demokratie ohne „Rechts“ sei keine. Auch die wahrgenommene Diskursverengung kommt zur Sprache. „Es ist ein Problem, wenn man als freier Autor mit gewissen Interessen nur für Welt und NZZ schreiben darf“, beklagt Mohr.
Daß Politiker wie Ursula von der Leyen das Potsdamer Treffen mit dem Nahost- und Ukrainekrieg gleichsetzen, stört Broder: „Es ist eine Tragödie, daß solche Leute was zu sagen haben.“ Im Kontext der Pro-Hamas-Unruhen beklagt er Lippenbekenntnisse zum Kampf gegen jeden Antisemitismus ohne Täternennung: „Das ist der Moment, wo ich mich frage, wann es das letzte Mal ein Pogrom in der Nähe einer Kirche gab.“
Den Humor lassen sich die Eingeladenen dennoch nicht nehmen. Sobald der Hitlergruß-Vorfall einer grünen Bezirkspolitikerin erwähnt wird, rät Broder dem Fragesteller, er solle ihr eine Taschenbuchausgabe von „Mein Kampf“ schenken.