Auch in archaisch denkenden, islamischen Großfamilien erfüllen die Erstgeborenen nicht immer die Erwartung ihrer Sippe. Besonders deutlich wird das aktuell in Frankreich. Abdelghani Merah, der 36 Jahre alte ältere Bruder des sogenannten „Motorroller-Mörders“, Mohamed Merah, hat sich in aller Öffentlichkeit von seiner Familie distanziert.
Im März hatte Mohamed innerhalb weniger Tage drei „islamisch aussehende“ französische Soldaten und vier jüdische Kinder und Lehrer – wild um sich schießend – ermordet. Zwei Tage nach der letzten Tat starb er im Feuergefecht mit der Polizei und bekannte sich kurz vor seinem Tod noch zu Al-Kaida.Meist kann in solchen Fällen – wie z.B. bei Anders Breivik – als selbstverständlich vorausgesetzt werden, daß sich die Angehörigen der Täter von solchen Morden distanzieren. In der Regel sind sie darüber hinaus auch klug genug, die Presse auf Abstand zu halten.
Schwester verhöhnte die Opfer
Bei den Merahs war der Fall allerdings gänzlich anders gelagert. Schon nach wenigen Tagen wurde bekannt, daß die früh geschiedene Mutter ihre Kinder von klein auf zum Judenhaß erzogen hatte. Daß diese Saat aufgegangen ist, zeigte sich auch an der Festnahme des mittleren Bruders, dem die Beteiligung am Diebstahl des Tat-Motorrollers nachgewiesen werden konnte und der seit 2007 als Islamist im Visier der französischen Behörden war.
Als sich auch noch die Schwester „stolz“ auf ihren „Märtyrer-Bruder“ zeigte, blieb Abdelghani – dem einzigen in der Familie, der in Frankreich wirklich angekommen war – keine andere Wahl mehr, als sich lautstark zu positionieren. Und das tat er als Kronzeuge gegen seine Familie und das Milieu, aus dem sie stammt.
Von den Brüdern angegriffen
Der mit einer jüdischstämmigen Frau verheirate Abdelghani, 1977 in Oued Bezzaz, etwa 100 Kilometer südlich von Algier geboren, erlebte seine Sippe schon zuvor als Alptraum. Bereits 2003 wurde er wegen seiner „ungläubigen“ Frau vom mittleren der Brüder mit dem Messer schwer verletzt. Anzeige erstattete er keine. Inzwischen hat er es sich zum Ziel gesetzt, dieses Milieu offen anzuprangern, das in Frankreich viele andere kleine Mohameds produziere.
So filmte er heimlich seine Schwester, wie sie die Anschlagsopfer verhöhnte, und ging gezielt in die Öffentlichkeit. Vor allem aber veröffentlichte er vor wenigen Tagen mit einem Co-Autor das Buch „Mein Bruder, dieser Terrorist – Ein Mann klagt den Islamismus an“. Eine Anklage, die nicht nur dem Salafismus gilt, sondern ebenso dem französischen Staat, der bis heute Menschen mit diesem gefährlichen Gedankengut einwandern läßt. Inzwischen ist Abdelghani Merah mit seiner Frau und seinem Kind in eine andere Stadt gezogen. Seinen Namen will er aber behalten, um deutlich zu machen, daß es auch andere Merahs gibt.
> Eine Besprechung von „Mein Bruder, dieser Terrorist“ erscheint in der kommenden Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT am 4. Janaur 2013.