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Islamische Demokratie?

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Große Hoffnungen werden in den Massenmedien auf die Unruhen gesetzt, die derzeit die Despoten der arabischen Welt hinwegfegen. Das allgemeine Credo lautet: hier die unterdrückten Völker, die sich nach Demokratie und Menschenrechten sehnen, dort die bösen Tyrannen, die das totalitäre Prinzip von vorgestern verkörpern.

Nicht ganz in dieses einfache Schema paßt allerdings, daß die Tyrannen bis gestern noch vom Westen unterstützt, hofiert und mit denjenigen Waffen ausgerüstet wurden, über deren Einsatz gegen das eigene Volk in Libyen sich jetzt der deutsche Außenminister echauffiert. Zudem kam auch mancher der heutigen „Bösen“ seinerzeit – unter dem Applaus westlicher Intellektueller – durch eine revolutionäre Volksbewegung und nicht etwa nur „von oben“ durch einen Militärputsch an die Macht.

Demokratie soll auf Koran und Scharia fußen

Trotz der Klischeevorgaben von friedlich demonstrierenden Demokraten und grausamen Herrschern können realistische Erkenntnisse sogar in einen Artikel der Zeit geraten, in dem Gudrun Krämer die Möglichkeit einer islamischen Demokratie auszuloten sucht – einer Demokratie, die auf Koran und Scharia fußen soll und nicht etwa nur einer laizistischen Demokratie mit muslimischer Bevölkerung.

Natürlich ist die Autorin überzeugt, daß „die Demonstranten von Marokko bis Iran“ nach Demokratie und Freiheit sowie dem Ende von Korruption, Willkür und Gewalt streben und darunter nichts anderes verstehen „als der Rest der Welt, nämlich: Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und die Achtung der Menschenrechte.“ Vermutlich sehen sie dadurch auch ihre „kulturelle Identität nicht gefährdet“, wie Gudrun Krämer behauptet, aber ob dies daran liegt, daß solche Werte „nicht exklusiv westlich sind, sondern universell gültig“, steht auf einem anderen Blatt – eher leiten sie die universale Geltung dieser Prinzipien aus ihrer für ursprünglich und allgemeingültig gehaltenen Religion ab.

Die Neue Mitte der islamischen Welt

Es folgt eine Eloge auf eine überall in der islamischen Welt angeblich auszumachende „Neue Mitte“, die Demokratie und Menschenrechte mit kultureller Authentizität, also der Herleitung aus dem Koran, verbinde. Trotz allgemeiner Handlungsanweisungen gebe dieser keine bestimmte politische Ordnung vor und vertrage sich mit Prinzipien wie Freiheit und Verantwortung, Gerechtigkeit und Gleichheit. Einen Interessen- und Meinungspluralismus habe es in islamischen Ländern immer gegeben, auch ein Mehrparteiensystem ließe sich ohne weiteres begründen.

Sehr ausgeprägt sei auch die soziale Komponente politischer Entwürfe zum Beispiel der ägyptischen Muslimbrüder, die Krämer offenbar ihrer „Neuen Mitte“ zuschlägt. Allerdings seien Frauen und Nichtmuslime den männlichen Muslimen „nach herkömmlichem Scharia-Verständnis“ – als ob es ein anderes geben könne – „nicht in allen Bereichen gleichgestellt“. Noch enger sind, wie die Autorin zugeben muß, „die Grenzen im Bereich der religiösen, künstlerischen, akademischen und sexuellen Freiheit“ gezogen, und am Ende steht denn auch der lapidare Satz: „Auf der Grundlage der Scharia […] soll der demokratische Rechtsstaat erbaut werden, nicht die liberale Gesellschaft.“

Nichtmuslimische Lebensformen wären nur im Verborgenen möglich

In Jubel möchte man über dieses bescheidene Ergebnis einer eigentlich proislamischen Betrachtung nicht ausbrechen. Selbstverständlich läßt sich mit der Scharia als islamischer Rechtsordnung auch ein Rechtsstaat fundieren, in dessen Rahmen sogar verschiedene – muslimisch ausgerichtete – Parteien denkbar sind, die etwa in sozialen Fragen differieren. Gleichwohl hätte eine solche Demokratie aufgrund ihres nicht verhandelbaren religiösen Fundaments einen totalitären Charakter und wäre nur als präsidiale oder von einem „religiösen Führer“ geleitete muslimische „Volksdemokratie“ vorstellbar. Individuelle Freiheiten blieben stark eingeschränkt, nichtmuslimische Lebensformen allenfalls im Verborgenen möglich.

Demokratien müssen also nicht unbedingt freiheitlich organisiert sein, und umgekehrt ist geistige Liberalität, wie das Beispiel Preußens zeigt, auch in einer monarchischen – oder allgemein hierarchisch aufgebauten – Staatsform möglich. Müßte ich mich zwischen einer muslimischen Volksdemokratie und einer liberalen Monarchie (oder gar einer „liberalen Diktatur“) entscheiden, wäre mir die Freiheit des Denkens allemal lieber als diejenige, unter mehreren fast gleichen Parteien eine ankreuzen zu dürfen.

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