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„Die Bestie, die mein Kind umgebracht hat“

„Die Bestie, die mein Kind umgebracht hat“

„Die Bestie, die mein Kind umgebracht hat“

 

„Die Bestie, die mein Kind umgebracht hat“

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„Meine Tochter wurde regelrecht abgeschlachtet. Der Täter ließ sie verbluten“, sagt Gunda Gerlach am Telefon. Sie ist die Mutter von Vasthi Leona Gerlach, einer 23 Jahre alten Heilerziehungspflegerin, die im vergangenen März im schleswig-holsteinischen Großhansdorf während ihrer Nachtwache brutal ermordet wurde.

Nachdem ich über den Fall geschrieben hatte, kontaktierte mich die vierfache Mutter. Um über das Schicksal ihrer jüngsten Tochter noch einmal zu erzählen – mit der Hoffnung, daß sich politisch etwas bewegt.

Denn es sind die Politik und das durch sie gelähmte Rechtssystem, denen die 62jährige eine Mitschuld an der Tat gibt. Es ist zwar nicht so, daß Martin Heuer, der Mann, der Vasthi mit einer Brechstange das Gesicht zertrümmerte, zwei riesige Messer in ihre Brust rammte und ihr die Kehle durchschnitt, für sein Verbrechen nicht bestraft worden wäre. Er wurde im Dezember vom Landgericht Lübeck zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Revision: Die besondere Schwere der Tat wurde nicht erkannt

Nein, Gerlach hält Politik und Justiz vor, schon vor der Tat versagt zu haben – als Vasthi noch am Leben war. Es macht sie wütend, daß niemand rechtzeitig eingegriffen hat oder gemerkt haben will, was für eine Gefahr von dem vorbestraften Täter Heuer ausging. Statt dessen wurde er immer und immer wieder zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Schließlich bekam er sogar einen Platz in dem offenen Wohnheim für geistig und seelisch behinderte Menschen, Haus Rümeland, wo er Vasthi dann umbrachte.

Daß er jetzt zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden ist, sei das mindeste, was man von einem Rechtsstaat erwarten könne, meint Gunda Gerlach. Doch als Nebenklägerin sei sie dennoch in Revision gegangen: weil das Gericht schlichtweg die besondere Schwere der Tat nicht erkannt habe, sondern einige Punkte Heuer sogar noch als strafmildernd anrechnete.

Ihrer Meinung nach hat das Gericht nicht berücksichtigt, mit welchem Kalkül Heuer handelte und was für eine Gefahr er auch nach dem Verbüßen seiner 15jährigen „lebenslänglichen“ Haftstrafe noch für die Gesellschaft darstellen könnte. Schließlich ist er dann erst 43 Jahre alt.

Durch alle Raster des Rechtssystems gefallen

Vasthis Mutter fragt sich, wie es möglich ist, daß eine solche „Bestie, die einen Menschen auf ein solch brutale Art umgebracht hat“, durch alle Raster des Rechtssystems fallen konnte. „Und wie kann es sein, daß dafür keiner die politische Verantwortung übernehmen will?“ Briefe an Politiker, die schleswig-holsteinische Regierung und den Sozialminister haben bislang nichts gebracht: Es wurde lediglich festgestellt, daß es keinen Verstoß gegen Vorschriften gegeben hat.

Das aber sei für sie nicht zufriedenstellend. Ihrer Meinung nach stimmt dann vielleicht etwas nicht mit den Vorschriften: Denn wie könne es sonst sein, daß eine Berufsanfängerin alleine Nachtdienst hat und die Verantwortung für zwölf psychisch Kranke tragen muß – unter denen sich sogar ein Vorbestrafter befindet? Als wählende und steuerzahlende Bürgerin hätte sie wenigsten eine anständige Aufklärung in dieser Sache verdient, wenn der Staat schon keinen angemessenen Schutz gewährleisten kann.

Außerdem glaubt Gerlach nicht daran, daß Heuers kriminelle Karriere lediglich eine Häufung von Zufällen und unglücklichen Umständen ist und er der Justiz nur „aus Versehen“ durch die Lappen gegangen sei. „Heuer ist nicht dumm, obwohl er die Schule nach der achten Klasse abgebrochen hat“, sagt die studierte Soziologin. „Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun.“ Im Gegenteil: Er sei wahrscheinlich sogar ziemlich intelligent. „Zumindest spricht er ein geschliffenes Deutsch, formuliert perfekt.“

Weder Haß noch Rachegefühle

Und genau das hat ihm in Vergangenheit offenbar sehr genutzt: Mehrfach habe er seine Gutachter hinters Licht geführt, erzählt Gerlach. „Das beste Beispiel ist, als Heuer bei einem Gutachten vor einigen Jahren erzählte, daß er mit der Bundeswehr in Afghanistan gewesen sei – als Wehrpflichtiger.“

Er habe so glaubhaft geschildert, wie er mit einem Versorgungstransporter mitgefahren ist, daß man ihm das abnahm. „Keiner kam auf die Idee, das Ganze nachzuprüfen. Dabei wäre das gar nicht schwer gewesen. Schließlich kommen in Deutschland laut Gesetz keine Wehrpflichtigen in Auslandseinsätze.“ Sie frage sich, wie oft noch etwas im Fall Heuer wohl unbemerkt geblieben ist und wie oft Dinge einfach nicht hinterfragt wurden.

Haß oder Rachegefühle empfinde Gunda Gerlach gegenüber dem Mörder ihres Kindes jedoch nicht. „Jedes Gefühl ist eigentlich ein Gefühl zuviel für ihn“, sagt sie. Manchmal spüre sie zwar Wut und Verachtung, aber sie weigert sich, sich mit Heuer auf dieselbe Stufe zu stellen.

„Ich habe mich von meinem Kind verabschiedet, obwohl die Kripo und die Gerichtsmedizin mir davon abgeraten haben. So schlimm hatte Heuer sie zugerichtet“, sagt Gunda Gerlach. „Aber ich wollte sie sehen. Ich bin die Mutter. Ich war die erste, die sie gesehen hat, und ich wollte auch die letzte sein.“

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