Tu infelix Austria perturbas: Während die Deutsche Bahn (DB) umdenkt und mit freundlicher Unterstützung von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer allmählich wieder weg will von dämlichen Anglizismen wie „Service Point“, ist bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) die gegenteilige Entwicklung zu beobachten.
So heißt zum Beispiel der neue Hochgeschwindigkeitszug „railjet“. Seit dieser Woche fährt er auch die Strecke zwischen Wien und Zürich und löst damit den „Transalpin“ ab. Die Erfahrung, daß mit der Einführung eines englischen Namens in der Regel eine Verschlechterung der Qualität einhergeht, bestätigt sich auch in diesem Fall wieder einmal.
„Als Bahnfahren noch chic und komfortabel war“
Der Speisewagen ist zugunsten eines Schnellimbisses abgeschafft. Der Panoramawagen, der früher den Reisenden einen herrlichen Blick durch das Glasdach auf die Berggipfel ermöglichte, fehlt nun, ebenso wie die Fahrradmitnahmemöglichkeit oder das Sonderabteil für stillende Mütter. – Die Fahrtzeit verkürzt sich indes nicht.
Der Schweizer Tages-Anzeiger klagt: „Warum die Österreichische Bahn aber auch auf den traditionsreichen Namen Transalpin verzichtet, bleibt ihr Geheimnis. Vielleicht möchte sie die Kunden nicht an Zeiten erinnern, als Bahnfahren noch chic und komfortabel war. … Was will der Name Railjet überhaupt sagen? In den 90er Jahren wäre er vielleicht noch cool gewesen. Heute wirken solche Anglizismen leicht verstaubt.“
ÖBB nehmen keine Rücksicht auf die Sprache der Kunden
Bei der Deutschen Bahn hingegen soll künftig das Prinzip der „möglichst durchgängigen Verwendung der deutschen Sprache“ gelten, schreibt der DB-Vorstandsvorsitzende Rüdiger Grube. Warum meinen im Gegensatz dazu die ÖBB, nicht auf die Sprache ihrer Kunden Rücksicht nehmen zu müssen? In Österreich ist der öffentliche Druck auf Sprachsünder schwächer als in der Bundesrepublik Deutschland.
Sprachkritik ist kein überparteilicher Gegenstand, sondern wird nahezu ausschließlich der politischen Rechten überlassen. Die Interessenverbände für die deutsche Sprache sind außerdem personell schwach besetzt und leiden unter einer schwindenden Mitgliederzahl. Hier hat die organisierte Sprachpflege noch einiges nachzuholen. Sie muß sich modernisieren und hat noch viel Aufklärungsarbeit vor sich.
Auch in der Bundesrepublik haben die Sprachschutzinitiativen natürlich noch nicht den Einfluß, der zu wünschen wäre. Allerdings hat sich in den vergangenen zehn Jahren viel getan: Neue Ansätze in der Sprachpflege führten zu ersten kleinen Erfolgen. Das Sprachbewußtsein in den Medien und auch bei manchen Politikern ist stärker geworden, trotz mancher Rückschläge. Sprachpflege wird nicht mehr so oft als das Anliegen einer Minderheit wahrgenommen, sondern immer häufiger als eine Notwendigkeit angesehen, die der Allgemeinheit nützt.
Bewußtseinswandel ist in Österreich in weiter Ferne
Von einem solchen Bewußtseinswandel bei den Verantwortlichen ist man in Österreich weiter entfernt als in der Bundesrepublik, obwohl hüben wie drüben das Unbehagen des Volkes groß ist. Die Sprachdebatte wird von den österreichischen Medien so geführt, als ob es in erster Linie darum ginge, ein paar oberdeutsche Besonderheiten in Wortschatz und Aussprache gegen norddeutsche Einflüsse zu verteidigen.
Während die Medien sich also in einem Quark-Topfen-Geplänkel verlieren, vernachlässigen sie die wirkliche Gefahr: die Verdrängung der deutschen Sprache auch aus vielen Gebieten in Österreich.
Bessere Durchschlagskraft
Den österreichischen Sprachschützern gelingt es leider noch unzureichend, diese Gefahr bewußtzumachen. Zwar haben sie sich untereinander vernetzt, auch über die Grenzen hinaus; schweizerische, österreichische und bundesdeutsche Sprachschützer tauschen sich regelmäßig untereinander aus.
Doch wurden noch keine Aktionsformen und Themen genutzt, mit denen österreichweit breite Massen erreicht werden und somit bessere Durchschlagskraft erzielt werden kann. Es ist zu hoffen und zu unterstützen, daß sich das in Österreich so schnell wie möglich ändert, bevor der Zug abgefahren ist.