RATIBOR. Gegen die Abschaffung des zweisprachigen Unterrichts an der bilingualen Grundschule in Ratibor (Racibórz) in Oberschlesien formiert sich Widerstand. Nach Darstellung der AGMO e. V. – Gesellschaft zur Unterstützung der Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen mit Sitz in Bonn wurde die Grundschule auf Initiative des Schuldirektors Jan Goldman Mitte Januar auf eine gewöhnliche polnischsprachige Schule zurückgestuft und der zweisprachige deutsch-polnische Unterricht mit sofortiger Wirkung abgeschafft.
Wie die JUNGE FREIHEIT aus dem Kreisverband Ratibor des Deutschen Freundschaftskreises (DFK) in der polnischen Wojewodschaft Schlesien erfuhr, habe der Direktor die Streichung des zweisprachigen Unterrichts mit dessen „Unvereinbarkeit mit dem Buchstaben des Gesetzes“ begründet.
Die Einstellung der Zweisprachigkeit an der Grundschule Nr. 5 im Stadtteil Studen (Studzienna) soll der Schuldirektor am 15. Januar während eines Appells zunächst den Schülern mitgeteilt haben, bevor die Eltern vier Tage darauf auf einer Versammlung des Elternrats über Einzelheiten unterrichtet wurden, teilte die DFK-Dienststelle der JF mit. Der Umfang des Deutschunterrichtes sei umgehend von bis zu sieben Wochenstunden auf nur noch drei reduziert worden.
Starke deutsche Minderheit in Ratibor
Die Zweisprachigkeit des Unterrichts in Fächern wie Mathematik, Biologie, Informatik und Sport wurde gestrichen. Die Fächer Polnisch, Religion und teilweise Geschichte wurden auch vorher ausschließlich in der Staatssprache gelehrt.
Nach Auskunft des DFK-Kreisverbandes leben in Ratibor-Studen 90 Prozent alteingesessene Deutsche, im Kreis Ratibor gibt es einen deutschen Bevölkerungsanteil von mehr als einem Drittel (38 Prozent). In der katholischen Kirche von Studen wird jeden Freitag eine heilige Messe in deutscher Sprache gefeiert, einmal monatlich zusätzlich am Sonntag. In unmittelbarer Nähe der Grundschule Nr. 5 gibt es einen Kindergarten mit acht Wochenstunden spielerischen Deutschunterrichts.
Der Vorstand des Deutschen Freundeskreises in Studen bemüht sich um die Beibehaltung der Zweisprachigkeit der Grundschule und ist eng mit den Eltern der Schüler vernetzt. Die Eltern hatten bereits am 24. Januar einen Protestbrief verfaßt und ihn anderntags im Rahmen einer Elternversammlung persönlich an den Schuldirektor übergeben. >>
Wie die JF weiter erfuhr, haben sich betroffene Eltern um Aufklärung an die örtliche Schulbehörde gewandt. Gegenwärtig liefen alle Fächer ausschließlich auf polnisch. Die AGMO, die durch Spenden an die Schule den Kauf von Lehrbüchern ermöglichte, wurde ebenfalls in Kenntnis gesetzt. Diese wiederum wandte sich am 29. Januar an den deutschen Konsul Ludwig Neudorfer in Oppeln mit der Bitte, bei den zuständigen polnischen Stellen zu intervenieren.
„Kein Anschlag auf die deutsche Sprache oder die Minderheit“
Nach Darstellung des Direktors der Grundschule Nr. 5 verhält sich alles ganz anders. „Das ist kein Anschlag auf die Sprache oder auf die Minderheit“, sagte Goldman gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Es hat sich nichts geändert, der zweisprachige Unterricht besteht weiterhin, von Willkür kann keine Rede sein.“ Die bisherige Handhabung des Unterrichts an der Schule habe aber mit den rechtlichen Vorschriften nicht übereingestimmt.
Im übrigen betreffe das auch andere Schulen in den Wojewodschaften Schlesien und Oppeln. Darum habe kurzfristig Handlungsbedarf bestanden. Nur „boshafte Stimmen“ versuchten, die Vorgänge bewußt falsch darzustellen.
„Ich bin von großem Wohlwollen erfüllt“, unterstrich Goldman, der im zweiten Jahr als Direktor der Grundschule amtiert. Gemeinsam arbeite man mit dem Stadtpräsidenten von Ratibor, Mirosław Lenk, daran, schnell eine „gute Lösung“ für die Schüler zu finden, die spätestens nach Ende der zweiwöchigen Winterferien am 1. März umgesetzt werden solle.
Einzige zweisprachige Grundschule im Bezirk Schlesien
„Es wird besser, als es vorher war“, versicherte Goldman. Die Lehranstalt werde dann mit der Bezeichnung „zweisprachige Grundschule“ weitergeführt. Über die Gründe für die Aufregung im DFK-Kreisverband könne er nur mutmaßen: „Die Mißverständnisse kommen daher, weil man nicht miteinander gesprochen hat.“
Die Grundschule in Studen hat vor fünf Jahren in einzelnen Klassen den zweisprachigen Unterricht aufgenommen. Nach Darstellung der AGMO e. V. sei das bei den polnischen Behörden nie wohlgelitten gewesen. Die Schule blieb bisher die einzige bilinguale Grundschule in der Wojewodschaft Schlesien. Das Beharrungsvermögen der Eltern vor Ort aber war stark: Sie setzten sich mit Demonstrationen und Streiks wie auch mit Renovierungsleistungen in Eigenregie für das spezielle Profil der Schule ein.
Auf einer Elternversammlung vergangenen Freitag – anwesend waren ein Vertreter des Stadtpräsidenten sowie der Chef der örtlichen Schulbehörde – habe Schuldirektor Jan Goldman mündlich die Rückkehr zum zweisprachigen Unterricht ab 1. März zugesichert, erfuhr die JF aus dem DFK-Kreisverband Ratibor. Dort ist man skeptisch und will erst die schriftliche Bestätigung des Stadtpräsidenten abwarten. (ru)