Vor dreißig Jahren haben sich die Grünen gegründet. Und noch immer stellt sich die Frage, was sie eigentlich sind. So recht wissen sie es wohl selbst nicht – von allem irgendwie ein bißchen.
Mit den Linken teilen sie die Vorstellung eines beschaulichen Sozialstaates, mit den Liberalen die Vorliebe für Bürgerrechte, und wer Landwirtschaft wie unsere Vorfahren betreiben möchte, darf sich auch ein Stück weit konservativ nennen. Besitzt diese Partei überhaupt etwas Eigenes?
Wie keine andere steht diese Partei für eine Eigentümlichkeit, die eigentlich erst in den vergangenen dreißig Jahren zur politisch alles beherrschenden Macht geworden ist. Etwas, das im Alltag mitschwingt, unser Reden bestimmt, sogar unser Denken kanalisiert. Es ist diese eine, uns Deutsche völlig durchdringende und bis zur Hilfslosigkeit lähmende Angst vor uns selbst. Als wäre der Nationalsozialismus eine mühselig gebannte Bestie, deren Leine in jedem Augenblick reißen könnte, bereit, die ganze Welt zu verschlingen.
Diese hypertrophe Furcht, die nur darum nicht auffällt, weil sie inzwischen kollektiv auftritt – gerade an den Grünen kann man aufzeigen, wie sie Verhaltensweisen erzwingt, die man nur psychotisch nennen kann. Sie ist tatsächlich ihr Charakteristikum und lohnenswert wäre es zu untersuchen, wie von hier aus dieses nervöse Feuer auf andere Gesellschaftsbereiche übergriff. Doch was ist die tiefere Ursache dieser Furcht? Betrachten wir uns einmal die Grünen näher.
Das Anti-Bürgerliche als wesentliches Element
Was sind die Grünen, nicht dem genauen Buchstaben nach, sondern im beschreibenden Sinne? Zunächst fällt auf, daß ihre Mitglieder zwar eher aus dem Bürgertum stammen, sich jedoch als alternativ-künstlerisch orientierte Elite scharf abgrenzen und auch mit dem Sozialismus kokettieren. Überhaupt ist das Anti-Bürgerliche ein wesentliches Merkmal.
Während man das Christentum ablehnt, gibt man sich bei einem sonst weitgehenden Atheismus lieber fernöstlicher Mystik hin. Praktisch äußert sich dies in der Suche nach alternativen Sozialformen. Ein späterer Spitzenpolitiker hatte beispielsweise versucht, auf einer bäuerlichen Kommune neue Formen des Zusammenlebens zu finden. Die Sache ging daneben.
Zu den sympathischsten Elementen gehörte, daß man sich ursprünglich strikt basisdemokratisch organisieren wollte. Dies hängt mit dem Anspruch zusammen, nicht bloß eine herkömmliche Partei, sondern eine umfassende Bewegung darzustellen.
Allerdings wurde diese Organisationsform rasch abgestreift. Denn die Parteielite verfolgte ehrgeizige Pläne. Pläne, die zwar bis heute nie so recht klar geworden sind, die aber irgend etwas Ungeheures, das Bewußtsein der Menschheit Erweiterndes und auf jeden Fall noch nie Dagewesenes darstellen.
Das sind mehr oder weniger die Grünen. Womit wir beim Kern des Problems wären. Denn ich habe eben, Wort für Wort, das Wollen und Werden der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei beschrieben!
Rudolf Bahros Hinweis auf geistige Zusammenhänge
So ist es. Darum diese Hysterie, diese entsetzliche Furcht vor sich selbst. Auch wenn es paradox klingt: Wer die Grünen verstehen will, muß auch die unsichtbare Nabelschnur betrachten, die in die Vergangenheit reicht. Ahnend hat einer aus ihrer Mitte diesen geistigen Zusammenhang gefühlt. Die Grünen, so sagte Rudolf Bahro 1984 in seiner Hamburger Rede, würden in einem formell ähnlichen Muster wie die Nazis aufsteigen.
Niedergeschrien wurde er. Überhaupt können die Grünen sehr gut andere niederschreien. Vor allem diejenigen, die über den grünen Dünkel spotten, man habe mit seinem Gebaren den Nationalsozialismus überwunden. Tatsächlich hat man sich dem unheimlichen Schatten nur ein Stückchen weiter angepaßt.
Denn eines ist gewiß: Lernt diese Bewegung nicht endlich, sich dem schmerzhaften Prozeß der Selbsterkenntnis zu stellen, hört dieser ganze Wahnsinn nicht bald auf, so werden wir alle ins Verderben stürzen. Alles nur weil sie – wie andere Deutsche vor ihnen – lieber gebrüllt als nachgedacht haben.