Einer bildreichen Literaturgattung widmet sich derzeit die Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt: in Belgien und Frankreich fester Bestandteil der Volkskultur, in Deutschland immer noch stiefmütterlich behandelt – das Comic. Als erste gezeichnete Bilderreihe gilt „The Yellow Kid“ aus dem Jahr 1895. In den USA zierten Comic-Strips fortan zahlreiche Zeitungen und Magazine, ab den 1930er Jahren begann der Vertrieb in gebundener Heftform. In Deutschland hingegen konnte diese Kunstform erst nach dem Zweiten Weltkrieg Fuß zu fassen. Dabei gab es durchaus eigene Traditionslinien. So stand Wilhelm Buschs Bildergeschichte „Max und Moritz“ von 1865 gar Pate für die Entwicklung des nordamerikanischen Comic-Strips. Dennoch, es dauerte bis zum Jahr 1947, daß dieser Impuls nach Deutschland zurückkehrte und in einem Düsseldorfer Verlag ein Schwarzweiß-Heft mit der Detektivgeschichte „Bumm macht das Rennen!“ von Klaus Pielert erschien. 1948 folgte Hans Füsser mit der stärker an die deutsche Graphik-Tradition angelehnten Reihe „Jackel und Bastel“. Von da an begann sich die Gattung zu entwickeln und sehr bald Selbstbewußtsein zu gewinnen. „Comics – Das können wir besser“, titelte etwa 1953 die Kölnische Rundschau. Zwar blieben ausländische Einflüsse bedeutend auf dem deutschen Comic-Markt, man denke nur an den Walt-Disney-Konzern mit seinen Figuren Mickey Mouse und Donald Duck. Dennoch entwickelte sich seither auch eine eigenständig deutsche Comic-Kultur. Die nun in Zusammenarbeit mit dem Institut für Jugendbuchforschung der Goethe-Universität konzipierte kleine Frankfurter Schau führt unterhaltsam durch die Dekaden dieser 60 Jahre Comic-Geschichte in Deutschland. Man sieht etwa Manfred Schmidts Kultfigur des tolpatschigen Detektivs Nick Knatterton, der in den 1950er Jahren Erfolge feierte. „Hartmuth – der junge Held“ begeisterte damals junge Menschen, ebenso „Jimmy und das Gummipferd“ oder Wolf Strobels „Streiche und Abenteuer von Bimbo“. Hansrudi Wäschner zeichnete den jungen Ritter Sigurd, dem sich bald ähnlich konzipierte Helden (Dschungelbewohner Tibor, Weltraumfahrer Nick) hinzugesellten. Auch kam es bereits zu Experimenten mit 3D-Comics. Hauptsächlich der Lehning-Verlag brachte in jener Zeit seine kleinen Hefte an den jugendlichen Leser. In der DDR blieben die Strips vor allem in Zeitungen und verzichteten häufig auf die modernen Sprechblasen. Nur gelegentlich entstanden daraus Sammelbände wie zum Beispiel die Geschichten der beiden Mäuse „Fix und Fax“. Maßgeblich für die kleine Comic-Kultur im Osten wurde schließlich die 1955 gegründete Zeitschrift Mosaik, die in den achtziger Jahren schließlich gar ein Millionenpublikum erreichte. Deutliche Erwähnung in der Schau findet Rolf Kauka, der mit einer erfolgreichen „Eulenspiegel“-Reihe, später: „Fix und Foxi“, in den sechziger und siebziger Jahren zum bedeutendsten Comic-Produzenten der Bundesrepublik emporstieg. Zusätzlich Bewegung kam in die Szene, als sich „Asterix“ zu einem erfolgreichen Import entwickelte und die Satirezeitschrift Pardon Gesellschaftskritik mit Comics paarte. Dies wurde zum Startschuß für das Erwachsenen-Comic, das sich nun in zahlreichen Facetten des Underground, der Subkulturen, der Emanzipationsbewegungen, des Feminismus oder des Punk präsentierte. Ralf König wurde in den Achtzigern mit „Der bewegte Mann“ zur Ikone des Schwulen-Comics, „Werner“ machte das Genre kompatibel für Rock’n’Roll-Prolls. Mit „Maus“ begann sich der Comic, damals heftig in seiner Form umstritten, des Holocaust anzunehmen. Schließlich kam der Vermittlung von Geschichte für Jugendliche in dieser bildhaften Form seit jeher Bedeutung zu. Schon in den fünfziger Jahren gab es die Reihe „Abenteuer der Weltgeschichte“, Jahrzehnte später präsentierte das Haus der Geschichte Baden-Württemberg in seinem Comic „Des Volkes Freiheit“ schwarz-rot-gold die Historie von 1848/49. Aus dem Bilderspaß Comic wurde Propaganda, Pädagogik und schließlich Kunst. So kam es zu gebundenen Graphic Novels, zum Beispiel nach Vorlagen Charles Bukowskis, wie auch zu zahlreichen populären Strips mit „Funny Animals“. Die Gegenwart dieser Männerdomäne zeigt sich vielgestaltig – von opulenten Fantasy-Szenarien bis zu teils brutalen, japanisch beeinflußten Mangas oder geschmacklosen Fäkalstrips. 250 Exponate zeigt die kleine Ausstellung, und damit natürlich nur einen Ausschnitt des deutschen Comic-Geschehens; manches wird man mehr oder weniger vermissen, etwa den Esoterik-Zeichner Voenix. Doch die Übersichtlichkeit der Schau enttäuscht nicht, sondern dient vor allem der Klarheit über die Entwicklungslinien eines kulturellen Randphänomens in Deutschland. Die Ausstellung „Comics made in Germany -60 Jahre Comics aus Deutschland“ ist bis zum 24. Mai in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main, Adickesallee 1, zu sehen. Öffnungszeiten: Mo. bis Do. 10 bis 20 Uhr, Fr. bis 18 Uhr, Sa. bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Foto: Comic-Hefte Till Eulenspiegel, 1953; Fix und Foxi, 1967 Foto: Comic-Held Falk, Ritter ohne Furcht und Tadel (Hansrudi Wäscher, Lehning, Hannover 1960)