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Harte Fronten

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Durch anhaltendes Gerangel um Kompetenzen und Pfründe droht eine der wichtigsten Reformen der vergangenen Jahre zu einem Stückwerk zu geraten: Die Rede ist von der sogenannten Föderalismusreform. Dabei geht es um die Kompetenz- und Machtverteilung zwischen Bund und Ländern. Diese Neuregelung war nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Zuständigkeiten der EU-Kommission für die nationale Gesetzgebung notwendig geworden. Hierzu hatten der Bundestag am 16. Oktober 2003 und der Bundesrat einen Tag später den Beschluß gefaßt, eine „Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ einzusetzen. Dieser Kommission gehören jeweils 16 Mitglieder von Bundestag und Bundesrat sowie jeweils 16 stellvertretende Mitglieder beider Kammern an. Aufgabe dieser Kommission ist es, „Vorschläge mit dem Ziel zu erarbeiten, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu verbessern, die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen sowie die Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung zu steigern. Dabei soll die Kommission insbesondere die Zuordnung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf Bund und Länder, die Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte der Länder in der Bundesgesetzgebung sowie die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern überprüfen.“ Eigentlich sollten Bundestag und Bundesrat bis Dezember dieses Jahres konkrete Vorschläge gemacht werden. Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Vielmehr verhärten sich die Fronten sogar noch weiter. Auslöser hierfür war eine Äußerung von Bundeskanzler Helmut Schröder. Ausgerechnet von der fernen vietnamesischen Hauptstadt Hanoi aus warf Schröder vor wenigen Tagen den Ministerpräsidenten vor, mit ihren bisherigen Vorschlägen zur Föderalismusreform würde Deutschland unregierbar. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) legten nach und warnten, die Bundesrepublik dürfe nicht in einen Staatenbund verwandelt werden. Neuregelungen treffen auf massive Widerstände Dies wiederum rief den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, neben SPD-Chef Franz Müntefering einer der beiden Vorsitzenden der Kommission, auf den Plan. Er zeigte sich über die jüngsten Äußerungen aus der Bundesregierung überrascht und konterte, der Bund vertrete bisher keine einheitliche Linie. Und dem Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion und Kommissionsmitglied Ernst Burgbacher drängte sich sogar der Verdacht auf, „daß die Bundesregierung einen Erfolg der Föderalismuskommission verhindern will“. Die Neuregelung soll vor allem zehn Gebiete umfassen: die Rahmengesetzgebung, die Öffnungsklauseln in Bundesgesetzen zugunsten abweichender Landesregelungen, eine Entflechtung der konkurrierenden Gesetzgebung, verbunden mit einer Stärkung der Länderverantwortung, sowie eine Vereinfachung der Mitwirkung des Bundesrats und eine Stärkung der Verantwortung des Bundes. Des weiteren vorgesehen ist eine Neuordnung der Gemeinschaftsaufgaben und der dauerhaften Finanzhilfen, eine Modifizierung des nationalen Stabilitäts- und Wachstumspakts, die Neuverteilung der Steuerkompetenzen sowie eine Übertragung der Finanzverwaltung bei Gemeinschaftssteuern und eine Länderneugliederung. Daß derart gravierende Neuregelungen in vielen Punkten auf massive Widerstände treffen, vor allem, wenn auf Liebgewordenes verzichtet werden soll, liegt auf der Hand. So kam es dann auch. Das gilt vor allem für die Steuern. Die Welt kommentierte das Kompetenzgerangel süffisant: „Hier ist man sich nur darin einig, daß keine Einigung zu erzielen ist.“ Das führte sogar dazu, daß sich die Länder untereinander zerstritten, welche Position man nun eigentlich gegenüber dem Bund vertreten solle. Das wird zur Folge haben, daß die meisten Steuergesetze im Bundesrat zustimmungspflichtig bleiben. Ursprünglich war genau das Gegenteil vorgesehen: nämlich ein deutlicher Abbau. Derzeit sind mehr als 60 Prozent der Bundesgesetze im Bundesrat zustimmungspflichtig, was dazu führte, daß sich dieser mehr und mehr zu einer Nebenregierung entwickelte. Einige Länder drohen mit dem Gang nach Karlsruhe Ziel des Grundgesetzes war jedoch eine politische Mitwirkung, aber nicht die Möglichkeit zur Lähmung der Tagespolitik. Einig war man sich seinerzeit, daß Zustimmungsgesetze die Ausnahme bilden und um die zehn Prozent ausmachen sollen. Heute wäre es jedoch schon ein Erfolg, wenn der Abbau der zustimmungspflichtigen Gesetze auf 30 Prozent wenigstens in etwa erreicht würde. Keine Einigung zwischen Bundesregierung und Bundesrat zeichnet sich auch bei Artikel 23 Grundgesetz ab. Darin wird das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Union behandelt. Unter anderem heißt es dort: „Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen.“ Während Zypries vorgeschlagen hat, diese Mitwirkungsrechte des Bundesrats zurückzuführen, um damit dem Bund in Brüssel mehr Möglichkeiten zu geben, wird dies von den Ministerpräsidenten aber strikt abgelehnt. Zur Begründung heißt es, bislang habe die Mitwirkung der Länder keine Probleme bereitet. Wenig Übereinstimmung gibt es auch bei der Sozialhilfe. Die Forderung der Länder, die Sozialhilfe solle vollständig in ihre Zuständigkeit übergehen, wird von der Bundesregierung abgelehnt. Auch das Argument der Länderchefs, man müsse regional auf die unterschiedlichen Lebensverhältnisse reagieren und demzufolge auch unterschiedliche Sozialhilfesätze festlegen können, findet in Berlin wenig Gehör. Doch gibt es auch Punkte, wo sich beide Parteien sehr nahegekommen sind oder sogar Einigkeit besteht. Letzteres besonders in dem Punkt, daß Berlin als Bundeshauptstadt im Grundgesetz festgeschrieben werden soll. Auch beim Punkt Öffentlicher Dienst gibt es kaum Differenzen. Hier fordern die Länder geschlossen das Besoldungs- und Versorgungsrecht für alle Landes- und Kommunalbeamten zurück, wie es bis 1971 der Fall war. Zwar gab es hier Widerspruch von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), der den Ländern lediglich einige Öffnungsklauseln zugestehen will, doch zeichnet sich ab, daß die Länder sich in diesem Punkt durchsetzen werden können. Keine Probleme gibt es auch bei den sogenannten Gemeinschaftsaufgaben. Danach bleibt der Bund sowohl für die Forschungsförderung als auch für den Küstenschutz zuständig. Kleinere Streitpunkte gibt es noch bei der Bildungspolitik, doch ist auch hier eine Einigung wahrscheinlich. Der Bund scheint bereit, den Ländern die alleinige Zuständigkeit vom Kindergarten bis zur Hochschule zuzugestehen. Das gleiche gilt für den Hochschulbau, wobei der Bund den Ländern die Gelder hierfür zur eigenständigen Verwendung überlassen soll. Zwar fordert die Bundesregierung derzeit noch Mitspracherechte an, doch wird allgemein erwartet, daß dieser Punkt in einer der nächsten Verhandlungsrunden abgehakt werden kann. Grund für die Kompromißbereitschaft des Bundes ist auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Ladenschluß. Danach muß bei der konkurrierenden Gesetzgebung zukünftig geprüft werden, ob die Länder die jeweiligen Aufgaben nicht besser erfüllen können als der Bund. Gerade bei regionalen Belangen dürfte dies vom obersten deutschen Gericht in der Zukunft immer mehr bejaht werden. So berufen sich die Länder auch mehr und mehr in der Frage, wer für die Sozialhilfe zuständig sein soll, auf dieses Urteil. Einige Länder sollen für den Fall der Nichteinigung sogar bereits mit einem Gang nach Karlsruhe gedroht haben. Probleme gibt es auch noch bei der Mischfinanzierung, die nach dem Willen der Länder abgebaut werden soll. Da hiervon bislang die ärmeren Bundesländer profitierten, hat die Kommission vorgeschlagen, die bisherigen Fördergelder des Bundes in einen Fonds einzuzahlen. Hieraus sollen dann bis zum Jahr 2019, in dem auch der Solidarpakt II endet, finanzschwache Länder unterstützt werden. Dies stößt aber auf Widerspruch der Bundesregierung, die befürchtet, daß dies vor allem zu Lasten der mitteldeutschen Länder gehen werde. Da bis zum Dezember eine Einigung zwischen Bund und Ländern in mehreren wichtigen Punkten mehr als unwahrscheinlich ist, verhandeln beide Parteien derzeit über das sogenannte Zugriffsrecht. Dahinter verbirgt sich eine Art Generalklausel, die alle Fragen lösen soll, über die sich die Föderalismuskommission nicht einigen konnte. Doch auch über diesen Punkt gibt es Streit. So wollen die Länder dem Bund in den strittigen Punkten lediglich eine Rahmenkompetenz geben. Damit könnten sie dann entscheiden, ob sie Bundesrecht anwenden oder selbst Gesetze erlassen wollen. Das lehnt der Bund aber entschieden ab. Er will den Ländern lediglich eine „Öffnungsklausel“ für konkret benannte Fragen zugestehen. Zu befürchten ist, daß auch diese Reform nichts Halbes und nichts Ganzes wird. Vielmehr steht zu befürchten, daß die Kompromisse an die verschiedenen Lobbygruppen wie Gewerkschaften und Arbeitgeber eine insgesamt notwendige Reform verwässern werden. Denn beide Gruppierungen versuchen derzeit – durchaus mit Erfolg -, massiv Einfluß auf die Arbeit der Kommission zu nehmen. Gewerkschaft fordert Volksentscheide So verlangt die Gewerkschaft Verdi, die vorgesehene Neuregelung der Kompetenzverteilung auch direkt dazu zu nutzen, plebiszitäre Elemente einzuführen: „Eine bestimmte Anzahl von wahlberechtigten Bürgern kann eine Volksinitiative einbringen, mit dem Ziel, die Behandlung einer Sachfrage, die auch einen Gesetzentwurf zum Gegenstand haben kann, durch das Parlament zu bewirken. Hierbei handelt es sich – in Erweiterung des Petitionsrechtes – um einen Anspruch der Bürger auf Befassung durch den Bundestag.“ Auch zu Gesetzesentwürfen fordert Verdi die Möglichkeit von Volksbegehren. Wird dieses von der im Gesetz vorzuschreibenden Anzahl von Wählern unterschrieben, müsse der Bundestag darüber entscheiden, ob er dem Gesetzentwurf zustimmt. Lehne der Bundestag den Gesetzesentwurf ab, sei ein Volksentscheid herbeizuführen, verlangt die Gewerkschaft. So sehr eine derartige Regelung zu begrüßen wäre, so wenig Chancen für eine Verwirklichung gibt es. Denn besonders die Union lehnt bundesweite Volksentscheide ab. Und ohne die Zustimmung der Abgeordneten der CDU und CSU ist die hierfür notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundestag nicht zu bekommen.

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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