Herr Raidel, Ihr Kollege Christian Schmidt, Vorsitzender des Arbeitskreises Rüstung und Verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, sieht keine Gefahr eines Kontrollverlustes angesichts des Aufkaufs deutscher Rüstungsindustrie durch amerikanische Waffenhersteller. Den Präsidenten des „Förderkreises Deutsches Heer“ und ehemaligen Berater im Fachbereich Rüstung des Bundesverteidigungsministeriums, Franz Lanz, erfüllt diese Entwicklung dagegen „mit Besorgnnis“. Raidel: Ich sehe diese Entwicklung ebenfalls eher skeptisch. Zwar stimmt, daß wir, wo Marktbewährung ohne einen Partner – und sei es ein amerikanischer – nicht möglich ist, kooperieren müssen. Wenn es aber um technologische Kernkompetenzen geht, dann ist sicherlich größte Vorsicht geboten. Auch ich bin über den Verkauf des U-Boot-Bauers HDW und der spanischen Panzerschmiede Santa Barbara Blindados, die unseren Leopard-Panzer in Lizenz fertigen, an amerikanische Rüstungsunternehmen sehr unglücklich. Es besteht die Gefahr, daß wir in einem schleichenden Prozeß unser technologisches Know-How an die US-Konkurrenz verlieren. Benötigen wir also eine Regierungsinitiative zum Schutze deutschen Rüstungswissens? Raidel: Natürlich, das Problem dabei ist nur, daß solche Eingriffe im System der freien Martkwirtschaft schwierig sind. Wir müssen also anders ansetzen: Wann ist eine Firma gezwungen, sogar ihr Know-How zu veräußern? Wenn sie nicht mehr werthaltig ist! Daß heißt für Deutschland, durch Förderung von Forschung und Entwicklung, aber auch durch entsprechende Produktabnahme unseren wehrtechnischen Firmen das nötige Polster zu verschaffen. Tatsächlich aber läuft die deutsche Rüstungsindustrie Gefahr, auszubluten. Obendrein heißt es dann künftig für die Bundeswehr: „Buy american!“, „Kaufe amerikanisch!“. Also nationale Aufrüstung? Raidel: Nicht quantitativ, sondern qualitativ. Technik und Wissenschaft entwickeln sich heute so schnell, daß eine Armee stets Bedarf zumindest an der Kampfwertsteigerung – sprich Nachrüstung – bereits angeschaffter Waffensysteme hat. Also Auftragsdeckung durch Nach- nicht durch Aufrüstung. Und das möglichst in Zusammenhang mit europäischen Kooperationen, um das entwickelte System so auch noch besser an andere europäische Armeen verkaufen zu können. Dazu fordert die Union eine Änderung der deutschen Rüstungsexportbeschränkungen. Raidel: Es geht nicht darum, nun auch verbotene Waffen exportieren zu dürfen, sondern darum, die Ungleichheit in Europa zuungunsten deutscher Unternehmen zu beseitigen. Entweder müssen die anderen Europäer auf unser Beschränkungsniveau angehoben werden, oder wir auf das der anderen. Politisch realistisch ist nur letzteres; also Aufweichung der deutschen Kriterien durch die europäische Hintertür? Raidel: Nein, die Problematik ist komplexer, als Ihre Frage intendiert. Dahinter steckt nicht der Versuch, künftig skrupellos überallhin Waffen verkaufen zu können. Die Richtlinien der Uno sollen auch weiterhin gelten, doch müssen künftig alle das Gleiche darunter verstehen. Frankreich zum Beispiel legt diese Richtlinien regelmäßig viel weiter aus als Deutschland. Auch dadurch entsteht eine Benachteiligung, die der deutschen Rüstungsindustrie in Zukunft nicht mehr zuzumuten ist. Hans Raidel ist stellvertretender Verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsraktion. Geboren wurde er 1941 in Lechnitz/Siebenbürgen. weitere Interview-Partner der JF