BERLIN. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will die bisherige Arbeitsgruppe zur Islamismusprävention im kommenden Frühjahr zu einem neuen, dauerhaften Expertenrat umbauen. Anders als bisher soll dieser neben dem gewaltbereiten Islamismus auch den „legalistischen“ ins Visier nehmen, der ebenfalls die Demokratie und den „gesellschaftlichen Frieden“ bedrohe, teilte der Parlamentarische Staatssekretär Christoph de Vries (CDU) am Freitag auf eine Welt-Anfrage mit. Er sitzt dem Lenkungskreis des neuen Gremiums vor.
Diesem sollen unter anderem der Migrationsforscher Ruud Koopmans, der Psychologe Ahmad Mansour, die Scharia-Spezialistin und Feministin Rebecca Schönenbach sowie die ehemalige Neuköllner Integrationsbeauftragte Güner Balci angehören. Im neuen Expertenrat soll auch Berlins Jugendstaatssekretär Falko Liecke (CDU) sitzen. 2015 hatte er einen Brief seiner Parteikollegen gegen die Asylpolitik der damaligen Kanzlerin Angela Merkel unterschrieben und kritisierte mehrfach den dem türkischen Staat unterstehenden Ditib-Verband. Auch der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschland und ehemaliger CDU-Kandidat bei der Hamburgischen Bürgerschaftswahl 2020, Ali Ertan Toprak, wurde zur Zusammenarbeit eingeladen.
Viele Mitglieder des alten Islamismusbeirats bleiben
Die voraussichtlichen Mitglieder des neuen Beraterrats gelten als langjährige Kritiker des politischen Islams und monierten mehrfach die teils gewalttätigen propalästinensischen Proteste in Deutschland. Gemeinsam mit dem Bund und den Ländern sollen sie 2026 einen Aktionsplan gegen Islamismus ausarbeiten. De Vries zufolge soll das Gremium unter anderem Ansätze schaffen, um der Radikalisierung Jugendlicher im Netz Einhalt zu gebieten. Man wolle etwa der Erzählung, Moslems seien Opfer einer „rassistischen Mehrheitsgesellschaft“, etwas entgegensetzen. Auch hat das Bundesinnenministerium vor, acht Millionen Euro für Islamismusprävention auszugeben. Bisher sei dies eine „Leerstelle“ gewesen.
Mit dem neuen Beraterkreis gehe das Innenministerium den richtigen Weg, begrüßte der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings, die Initiative. „Islamismus gefährdet die freiheitliche Ordnung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Integrationsfähigkeit unseres Landes.“ Wer diese Bedrohung ernstnehme, müsse den „gesamten ideologischen Unterbau“ in den Blick nehmen.
Die bisher tätige Arbeitsgruppe war im Oktober vergangenen Jahres von Dobrindts Amtsvorgängerin Nancy Faeser (SPD) als Reaktion auf den Terroranschlag in Mannheim gegründet worden. Sie sollte bis 2026 Empfehlungen ausarbeiten. Viele ihrer Mitglieder sollen dem neuen Expertenkreis angehören. Dazu zählt Florian Endres, der im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für Islamismusprävention und Deradikalisierung zuständig ist. Berater des Innenministeriums bleibt auch der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide von der Universität Münster. Er leitet den wissenschaftlichen Beirat der Dokumentationsstelle Politischer Islam der österreichischen Bundesregierung.
Eine Expertin warb dafür, verurteilte IS-Kämpfer zurückzuholen
Dagegen soll etwa Jamuna Oehlmann von der „Bundesarbeitsgemeinschaft religiöser Extremismus“ nicht im neuen Rat vertreten sein. Der vom Bundesprogramm „Demokratie leben“ geförderte Verein bemängelt unter anderem, die zunehmende Verbreitung „muslimfeindlicher Diskurse und rechtspopulistischer Einstellungen“ erschwere die Präventionsarbeit gegen den islamistischen Extremismus. Beim jüngsten Forum der „Bundesgemeinschaft“ hielt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor das Grußwort. In einer Studie des Vereins zu den Folgen des Nahostkonflikts beklagt eine Co-Autorin, Menschen mit familiären Bezügen nach Gaza würden „unter Generalverdacht gestellt“, was der Instrumentalisierung propalästinensischer Kundgebungen Vorschub leiste.
Ebenso soll Thomas Mücke nicht mehr den Bundesinnenminister zum Islamismus beraten. Der Leiter des Vereins „Violence Prevention Network“ hatte gegenüber der taz unter anderem angekündigt, im Fall einer Regierungsübernahme der AfD auf Landesebene keine Projekte mehr durchzuführen, die vom betreffenden Bundesland finanziert werden. Auch plädierte er für strengere Regeln für Messengerdienste und soziale Netzwerke, um terroristische und extremistische Inhalte konsequent löschen zu lassen.
Auch die Arabistin Claudia Dantschke von der Salafismus-Aussteigerinitiative „Grüner Vogel“ wird dem neuen Islamismus-Präventionsrat nicht angehören. Unter anderem hatte sie die Familie der deutschstämmigen Islamistin Linda W. betreut, die mit 16 Jahren einen Soldaten des Islamischen Staates geheiratet hatte. 2025 warb sie dafür, daß Deutschland die einstigen Mitglieder der Terrorgruppe mit deutschem Paß aus Syrien zurückholt. In den dortigen Haftanstalten bestünden „keine professionellen Angebote zur Distanzierung von extremistischen Ideologien“, sagte sie Anfang November bei einer Veranstaltung mit Kaddor. Auch drohten angesichts einer „instabilen Lage“ in Syrien „Ausbrüche oder Freilassungen“. (kuk)






