Kenneth Rogoff lehrt seit 1999 an der Harvard University und in seinem Buch behandelt der frühere Chefökonom des Weltwährungsfonds (IWF) die Entwicklung der globalen Finanzen und ihre Aussichten für die Zukunft. Der Titel „Our Dollar, Your Problem“ deutet an, daß die USA nicht nur die Leitwährung stellen und die Finanzierung der globalen Arbeitsteilung und Handelsströme ermöglichen, sondern daß der Dollar bzw. die US-Wirtschafts- und Finanzpolitik auch zum Problem für die Welt werden kann. Nach den gängigen Wechselkursen verfügen die USA über ein Viertel der globalen Wirtschaftskraft.
40 Prozent des Güterhandels werden in Dollar abgerechnet, und fast 60 Prozent der Währungsreserven werden in Dollar gehalten. Mangels Rechtsstaatlichkeit wurde die Sowjetunion nie ein ernsthafter Herausforderer der USA und des Dollars. Japan und sein Yen schienen es Mitte der 1980er Jahre zu werden, aber mit einer raschen Aufwertung des Yen, überhöhten Preisen von Land und Aktien, demographischen Defiziten und zu langsamem Wachstum ging das vorbei. Der Euro hat Europas Wachstum zumindest nicht beschleunigt. Mit einem Fünftel der Weltwährungsreserven liegt der Euro zwar vor allen anderen Rivalen des Dollars, aber die demographischen Probleme Europas, die kurzen Arbeitszeiten und der Wohlfahrtsstaat, die Defizite bei der politischen und fiskalischen Einheit Europas schwächen die Herausforderung.

Bei China ist Rogoff beeindruckt von der Kompetenz seiner Technokraten, der Arbeitsbereitschaft und Sparsamkeit der Bevölkerung, den dynamischen Unternehmern und der Fähigkeit der Führung, Konflikte beizulegen und damit auch Lasten zu verteilen, bei denen im Westen zeitraubende Gerichtsverfahren eine Rolle spielen. Aber die Zentralisierung der Entscheidungsgewalt birgt auch Gefahren. Das demographische Problem ist schwierig. Investitionen vor allem in Infrastruktur und Bau bringen abnehmenden Nutzen. In Anbetracht des enormen Gewichts dieser Sektoren in der Volkswirtschaft wird es schwerfallen, die dort noch beschäftigten 20 Prozent aller Arbeitskräfte schnell anderswo profitabel zu beschäftigen.
Autor sieht China nicht als Währungs-Konkurrenz
Und wegen der starken Position, die China bei der Güterproduktion schon hat, und des zunehmenden Protektionismus im Westen wird der Export das Problem nicht allein lösen können. Rogoff bezweifelt, ob der chinesische Konsum schnell genug ausgeweitet werden kann. Außerdem spricht die Tatsache, daß die aus der Baukrise resultierenden Schulden bei den lokalen Regierungen und Finanzierungsvehikeln versteckt sind, nicht für die schnelle Lösbarkeit des Problems. Obwohl China versucht, sich vom Dollar zu lösen, und seinen Außenhandel zunehmend in Renminbi abwickelt, glaubt Rogoff nicht, daß es China gelingen kann, die Position des Dollars schnell zu untergraben.
Nach Rogoff können feste Wechselkurse zwar dazu dienen, die Inflation zu bremsen, aber nur vorübergehend. Der Übergang zu flexiblen Kursen fällt meist schwer und erfolgt zu spät. Wenn der feste Kurs glaubwürdig ist, kann man heimische Schuldner kaum daran hindern, sich im Ausland günstiger zu verschulden, womit die Basis für eine spätere Krise geschaffen wird.
Um sich gegen künftige Krisen zu wappnen, haben asiatische Länder im 21. Jahrhundert große Währungsreserven meist in Dollar angehäuft, was den Amerikanern die Auslandsverschuldung erleichtert hat. Die Rolle des Dollars als Reservewährung dürfte für US-Staatsschulden eine Zinserleichterung von annähernd einem halben Prozent bedeuten. Gerade in Krisen wertet der Dollar meistens auf, so haben die USA bisher keine Finanzierungsprobleme. Das gilt sogar dann, wenn die USA Quelle der Krise sind.
Der US-Dollar macht die USA zur Bank für die Welt
Die zentrale Rolle des Dollars in der Welt erlaubt den USA auch, so etwas wie eine Bank für die Welt zu sein. Ausländer kaufen wenig ertragreiche Wertpapiere in den USA (Staatsanleihen), Amerikaner investieren riskanter und ertragreicher im Ausland (Direktinvestitionen oder Aktien). Deshalb hat sich die Nettoverschuldung Amerikas im Ausland auch nicht so schnell erhöht, wie nach den zunehmenden Leistungsbilanzdefiziten bzw. den Kapitalimporten zu erwarten war. Die amerikanischen Staatsschulden in Höhe von über 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, die zunehmende Auslandsverschuldung und die Gefährdung der Unabhängigkeit der amerikanischen Zentralbank durch politische Übergriffe stützen die Befürchtung, daß der Höhepunkt der Dollar-Dominanz in der Weltwirtschaft überschritten ist. Die USA sollten sich nicht auf Null- oder Niedrigzinsen als Normalzustand verlassen.
In Alternativen zu den nationalen Währungen sieht Rogoff auf absehbare Zeit keine ernsthaften Konkurrenten für den Dollar. Das gilt für die Sonderziehungsrechte beim IWF, für die Kryptowährungen und vielleicht mit der partiellen Ausnahme der chinesischen Digitalwährung auch für die Digitalwährungen von Zentralbanken. Die Risiken von Cyber-Angriffen, Systemversagen und die durch Digitalwährungen drohende Schwächung der Banken und damit des Systems der Kreditvergabe an Unternehmen sprechen dafür, bei der Einführung digitaler Währungen behutsam vorzugehen.
Das Buch ist unbedingt lesenswert. Die Stellung des Dollars in der Weltwirtschaft, etwa bei der Rivalität mit der chinesischen Währung oder dem Euro, hängt auch wesentlich von künftigen politischen Entscheidungen und Fehlentscheidungen ab. In einem im September in Foreign Affairs erschienem Aufsatz macht Rogoff klar, daß und warum er die Weltgeltung der USA durch zunehmende Verschuldung des Staates gefährdet sieht.
Prof. Dr. Erich Weede lehrte Soziologie an den Universitäten Köln und Bonn. 1998 gründete er die Friedrich-A.-von-Hayek-Gesellschaft mit.