BERLIN. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel hat Kanzler Friedrich Merz (CDU) in der Generaldebatte zum Kanzleramts-Etat scharf angegriffen. Sie warf ihm „Wortbruch“, Täuschung der Wähler und eine verantwortungslose Haushaltspolitik vor. Seine Kanzlerschaft werde „als größter Wahlbetrug in die deutsche Geschichte eingehen“. Der Etat sei eine „Schuldenorgie“, durch die die Staatsschulden um 50 Prozent steigen würden. Merz sei ein „Papierkanzler“, der sich bereits „seinen nächsten Aufsichtsratsposten als Lobbyist klar gemacht“ habe.
Mit Blick auf die Einwanderungspolitik sprach Weidel von „Volksverdummung“. Der deutsche Paß dürfe kein „Ramschartikel“ sein, Einbürgerungen zerstörten Loyalitäten und förderten Kriminalität. Das Bürgergeld sei in Wahrheit ein „Migrantengeld“. Die neue Bundesregierung verharmlose islamistische Gewalt an Schulen, während sie Polizisten auf sogenannte Haßpostings ansetze. „Unsere Polizeibeamten hätten wahrlich Besseres zu tun, als unbescholtenen Bürgern wegen Memes morgens die Türen einzutreten.“
An die Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch (SPD), gerichtet sagte sie, wer offene Grenzen fordere, solle eine afghanische Großfamilie in die eigene Wohnung aufnehmen und prüfen, „wie das mit Ihrem queeren Lebensstil kompatibel ist“. Die Union fragte sie, ob man wirklich für eine solche Regierung Wahlkampf gemacht habe. Die AfD sei offen für eine wirtschaftspolitische Wende mit niedrigeren Steuern, Rückkehr zur Kernkraft und einem Verbot parteinaher NGOs.
Haha. Nice one von @Alice_Weidel in Richtung der neuen Queerbeauftragten #generaldebatte #bundestag pic.twitter.com/8igs4DSh6K
— Anabel Schunke (@ainyrockstar) July 9, 2025
Kanzler Merz weist Kritik zurück
Merz reagierte mit demonstrativer Ruhe und klarer Abgrenzung. „Halbwahrheiten, üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen muß auch in einer Demokratie niemand unwidersprochen einfach hinnehmen“, sagte er unter Beifall aus CDU, SPD und Teilen der Grünen. Weidels Auftritt sei „eine rein nationalistische Rede gewesen“. Deutschland brauche internationale Partner, „vor allem in Europa“. Die pauschale Abwertung der Regierungsarbeit wies er „mit aller Entschiedenheit“ zurück.
Zur Sozialpolitik sagte Merz, das heutige Bürgergeld solle zu einer Grundsicherung für Bedürftige werden. „Allerdings nicht mit Schaum vor dem Mund, nicht mit Ausländerdiskriminierung.“
Habeck applaudiert der schwarz-roten Wirtschaftspolitik
Der Kanzler verteidigte auch seine geplanten Entlastungen für Unternehmen. Ab Januar 2026 sollen Sofortabschreibungen und eine Absenkung der Unternehmenssteuer greifen. Das Entlastungsvolumen werde bei über zehn Milliarden Euro liegen. Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) applaudierte. Seine frühere Linie wird unter Schwarz-Rot in Teilen fortgesetzt.
Mit Blick auf die Ukrainehilfe betonte Merz, sie diene dem Erhalt von Frieden, Freiheit und Wohlstand. Die Grundgesetzänderung sei ein „wichtiger Schritt zur Wiederherstellung unserer Verteidigungsfähigkeit“. Dafür bedankte der Kanzler sich erneut bei den Beteiligten – Union, SPD und Grüne.
Aufruf zu Mut und Zuversicht
Am Ende betonte Merz, es bleibe noch sehr viel zu tun. Seine Regierung wolle allen Menschen im Land Mut und Zuversicht vermitteln. „Daß es sich lohnt, in unserem Land zu arbeiten, daß es Freude macht, in Deutschland zu leben und daß wir vor allem das große Glück haben, in einem Land in Freiheit und in Frieden zu leben. Das ist ein großes Glück.“ Deutschland solle ein „offenes, liberales, freiheitliches“ und „vor allem ein tolerantes Land“ bleiben.
Merz’ Vorgänger Olaf Scholz (SPD) saß während der Debatte in der letzten Reihe seiner Fraktion und unterhielt sich über weite Strecken leise mit einem Sitznachbarn. (sv)