GRAZ. Eine Million Steirer waren am Sonntag aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen. Erstmals in der Zweiten Republik färbten die Freiheitlichen mit ihrem Spitzenkandidaten Mario Kunasek das flächenmäßig zweitgrößte Bundesland tiefblau.
Die FPÖ feiert bei der Landtagswahl in der Steiermark einen Erdrutschsieg. Mit mehr als 35 Prozent bei der ersten Hochrechnung können die Freiheitlichen ihr Ergebnis der Wahl 2019 verdoppeln. Das Ergebnis erschüttert vor allem die ÖVP. Die Partei von Landeshauptmann Christopher Drexler erlebt ein Debakel und kommt nur noch auf 26,7 Prozent. Auch die SPÖ stürzt auf 21,6 Prozent ab. Dahinter halbieren sich die Grünen auf 6,1 Prozent, die Neos halten sich auf 5,8 Prozent und die Kommunisten der KPÖ kommen auf 4 Prozent.
Keine Mehrheit mehr für Schwarz-Rot
Die FPÖ wird laut Hochrechnung im steirischen Landtag mit 18 Mandaten vertreten sein. Ein Zugewinn von zehn Sitzen seit 2019. Die ÖVP verliert fünf Mandate und kommt nur noch auf 13, die SPÖ auf zehn Sitze (-2). Schwarz und Rot hätten damit im 48 Sitzen starken Landtag gemeinsam nur noch 23 Sitze und keine Mehrheit.
Sowohl ÖVP als auch SPÖ hatten zuletzt immer wieder angekündigt, ihre Landesregierung weiterführen zu wollen. Möglich scheint aktuell nur eine Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Grünen. „Das wäre theoretisch möglich, aber das Wahlergebnis ist ein klarer Auftrag“, betonte FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek, der unter der ÖVP-FPÖ Bundesregierung als Verteidigungsminister stets hohes Ansehen in der Bevölkerung genoß.
Danke nach Wien
Besonders bitter ist das Ergebnis für Landeshauptmann Drexler. Als eine der wenigen Stimmen aus der ÖVP hatte er darauf gepocht, die FPÖ nach der Nationalratswahl mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Drexler hatte stets gewarnt, daß das ständige Ausgrenzen der FPÖ und das Ignorieren des Wählerwillens kurzsichtig sei. Die Wahl in der Steiermark scheint seine Befürchtung zu bestätigen. Und so konnte er sich in einem Interview nach der Hochrechnung auch einen Seitenhieb auf die Bundespolitik nicht verkneifen: „Ich habe alles gegeben, in den letzten zweieinhalb Jahren als Landeshauptmann und in den vergangenen Wochen im Wahlkampf“. Die Hauptverantwortung für das Ergebnis sieht er auf Bundesebene. „Ein großes Danke nach Wien“, sagte Drexler, der anfügte, er fühle sich ein wenig wie „das Bauernopfer der Republik“.
„Das heutige Wahlergebnis in der Steiermark ist schmerzlich, keine Frage. Es zeigt aber auch: Regierungsparteien haben es auf Landesebene derzeit besonders schwer. Auf Bundesebene gilt: Wir nehmen die Anliegen der Menschen ernst und stehen für Veränderung – aber nicht für jene,…
— Volkspartei (@volkspartei) November 24, 2024
Nehammer unter Druck
Die Steirer waren am Sonntag die ersten, die in der Wahlkabine auch über die Ereignisse nach der Nationalratswahl vom 29. September abstimmen durften. Auch dort hieß der fulminante Wahlsieger FPÖ – doch Bundespräsident Alexander Van der Bellen beauftrage Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und nicht Herbert Kickl mit der Regierungsbildung. Mit dem Ergebnis gerät vor allem Nehammer immer weiter unter Druck, rasch eine Bundesregierung mit der SPÖ und den Neos zu verhandeln. Im Vorfeld betonte die ÖVP immer wieder, das Ergebnis in der Steiermark werde keine Auswirkung auf die Bundesregierung haben. Und der steirische Bundesparteiobmann Klaus Seltenheim erklärte in einer ersten Reaktion am Sonntag: „Das ist eine steirische Wahl und ein steirisches Ergebnis.“ Auf Bundesebene gehe es darum, ein Bündnis der konstruktiven Kräfte zu schmieden, hofft er weiter auf eine „Anti-Kickl-Koalition“. (rr)