WIEN. Bei der Nationalratswahl in Österreich liegt die ÖVP nach ersten Hochrechungen an erster Stelle. FPÖ und SPÖ kämpfen um Platz zwei. Die von Außenminister Sebastian Kurz geführte „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“ kommt nach Angaben des Senders ORF auf 30,2 Prozent (plus 6,3), die FPÖ auf 26,8 Prozent (plus 6,3) und die SPÖ auf 26,3 Prozent (minus 0,6). Die SPÖ ist damit auf einen historischen Tiefpunkt gefallen. Sie war vor vier Jahren stärkste Kraft gewesen.
„Das ist unsere Chance für echte Veränderung in diesem Land“, Kurz. Bei seiner Rede vor Anhängern stand er vor einer österreichischen und europäischen Flagge. Das Wahlergebnis verstehe er als deutlichen Auftrag. Er wolle nun einen neuen politischen Stil in Österreich etablieren. „Ich nehme diese Verantwortung mit großer Demut an“, so Kurz.
Viele Menschen setzen große Hoffnungen in unsere #Bewegung. Werden gemeinsam für Ö arbeiten. @sebastiankurz #nrw17 #kurz2017 #EsistZeit pic.twitter.com/cpSncQdntv
— Volkspartei (@volkspartei) October 15, 2017
In einer Hochrechnung der Tageszeitung Österreich liegt die SPÖ mit rund 27 Prozent knapp vor der FPÖ. Damit hätte sie eine Option auf eine rot-blaue Koaltion. SPÖ-Fraktionschef Andreas Schieder sah dennoch eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ für eine schwarz-blaue Regierung. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter sagte, daß man zu Gesprächen bereit sei, auch wenn Parteichef Kern vor der Wahl noch für den Verlust von Platz eins den Gang in die Opposition angekündigt hatte.
Strache sprach von einem „wundervollen Erfolg“. Man werde sich das Ergebnis nicht schlechtreden lassen. Dem Sender ATV sagte er, er befürchte die Fortsetzung einer schwarz-roten Koalition. Er wisse nicht, was die Ankündigung von SPÖ-Chef Kern wert sei, bei einem Verlust des ersten Platzes in die Opposition zu gehen.
Die Neos erhielten demnach 5,8 Prozent (plus 0,3), die Grünen 4,2 Prozent und die Liste Pilz 3,2 Prozent. Die Grünen stürzten damit nach ihrem Rekordergebnis von vor vier Jahren (12,4 Prozent) deutlich ab. Die Schwankungsbreite der Hochrechnungen liegt laut der Meinungsforscher bei 2,4 Prozentpunkten. Die Briefwahlstimmen müssen noch ausgezählt werden. Rund 6,4 Millionen Österreicher waren zur Wahl aufgerufen.
Die erste Hochrechnung. #nrw17 #orfwal17 pic.twitter.com/NYIq2ZB4jF
— Günter Felbermayer (@eminenz) October 15, 2017
Die Grünen zeigten sich indes enttäuscht. „Dieses erste Ergebnis macht uns alle sehr betroffen“, sagte Bundessprecherin Ingrid Felipe. Betroffen sei sie, „weil wir auch wissen, welche Personen dahinterstecken“, aber auch angesichts der Zuwächse der anderen Parteien. Nach Stand am Sonntag abend, ohne Einberechnung der Briefwahlstimmen, könnten sowohl die Grünen als auch Peter Pilz, der vor wenigen Wochen aus der Grünen-Fraktion ausgetreten war, an der Vier-Prozent-Hürde scheitern.
Die letzten Wahllokale schlossen um 17 Uhr. Laut Expertenschätzungen fällt die Wahlbeteiligung in diesem Jahr höher aus als 2013 mit 74,9 Prozent. Der Wahlkampf war zuletzt von einer Schmutzkampagne aus den Reihen der SPÖ gegen Kurz überschattet worden.
FPÖ legt sich nicht auf Regierungsbeteiligung fest
Die FPÖ legte sich am Sonntag abend noch nicht darauf fest, unbedingt in die Regierung zu wollen. Generalsekretär Herbert Kickl interpretierte das Wahlergebnis als Auftrag zur Veränderung. Das wolle man auch umsetzen, ob in der Regierung oder in der Opposition, sagte er. „Zufrieden ist ein Hilfsausdruck, für den Zustand den ich gerade erlebe. Wir werden unsere Wähler nicht enttäuschen.“ Das Ergebnis zeige, daß die Österreicher Veränderungen wollten und die Freiheitlichen würden alles dafür tun, um diese Veränderungen zum Positiven für die österreichischen Staatsbürger herbeizuführen, kündigte Kickl an.
Kurz war mit dem Versprechen angetreten, das angeblich über die Jahre entstandene, starre „System Österreich“ aufzubrechen. Die von Heinz-Christian Strache geführte FPÖ hatte im Wahlkampf immer wieder durchblicken lassen, daß sie Regierungsverantwortung übernehmen möchte. Zentrale Koalitionsbedingung ist eine deutliche Stärkung der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild.
Die Sozialsysteme sollen für Einwanderer weniger attraktiv gemacht werden, indem die Mindestsicherung erst nach einer Wartefrist ausgezahlt wird, und dann möglichst in Sachleistungen. Zudem soll die Wirtschaft durch Entbürokratisierung und eine Steuerentlastung gestärkt werden. (ls)