Abschiebungen sind in Deutschland ungefähr so populär wie Homosexuellen-Paraden in Rußland. Die politischen Verantwortlichen hierzulande verfolgen sie mit ähnlichem Nachdruck wie sich Saudi-Arabien den Kampf für die Rechte von Frauen auf die Fahne geschrieben hat. Mit der Forderung, abgelehnte Asylbewerber und nicht aufenthaltsberechtigte Einwanderer konsequent in ihre Herkunftsländer abzuschieben, gewinnt man in der deutschen Politik keinen Blumentopf.
Auch weil viele Medien lieber die Geschichte von der perfekt integrierten Vorzeigemigrantin und Einserschülerin erzählen, die wenige Tage vor der Prüfung abgeschoben werden soll, als über kriminelle Ausländer zu berichten, die nur erneut straffällig werden konnten, weil ihre Ausweisung nicht durchgesetzt wurde.
Abschiebungen be- oder verhindern
Hinzu kommt ein Heer von Organisationen, Lobby-Vereinen und Rechtsanwälten, die mit allen Mitteln, Tricks und Kniffen versuchen, zusätzlichen Sand ins Getriebe der ohnehin nur träge laufenden Abschiebemaschinerie zu streuen. Zu diesen gehört auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Deren bayerischer Landesverband hat nun eine Handreichung für Schulen und Ausbildungsbetriebe erstellt, in dem diese darüber aufgeklärt werden, wie Abschiebungen von Schülern und Lehrlingen be- oder verhindert werden können.
Da Abschiebungen seit einer Gesetzesverschärfung 2016 nicht mehr angekündigt würden, erscheine die Polizei zur Durchführung der Überstellung in den Herkunftsstaat oder einen Drittstaat regelmäßig unangekündigt, etwa in der Wohnung, aber auch in der Schule, am Arbeitsplatz oder künftig möglicherweise auch im Kindergarten, klagt die GEW.
Doch auch in dieser Situation gebe es Handlungsmöglichkeiten. So sollten Schulleitung oder Lehrer als erstes den Anwalt des Abzuschiebenden informieren. Auch könne man sich direkt an das örtliche Ausländeramt wenden, sich das Aktenzeichen des Falls geben lassen und eine Prüfung fordern, ob das Verfahren wirklich abgeschlossen sei. Darüber solle man die Polizei in Kenntnis setzten, die die Prüfung dann abwarten müsse.
„Keine Sanktionen zu befürchten“
Verfügten Lehrer über eine entsprechende schriftliche Vollmacht ihrer ausländischen Schüler, könnten sie zudem „einen formlosen Antrag an das Verwaltungsgericht richten, die Abschiebung einstweilen zu untersagen“, rät die Gewerkschaft. Auch könne Öffentlichkeit schützen. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl, Flüchtlingsrat oder Amnesty International sowie die Presse sollten im Fall einer Abschiebung sofort informiert und eigenschaltet werden.
Es gebe zudem Fälle, in denen die Polizei an Schulleitungen herantrete, um zu erfragen, ob ein abzuschiebender Schüler an bestimmten Tagen anwesend sei. Diese Frage müsse nicht beantwortet werden, unterstreicht die Handreichung. Im Gegenzug könne die Schule dann aber den betroffenen Schüler von der Anfrage informieren und ihn so vor der drohenden Abschiebung warnen.
„Es besteht keine Schweigepflicht; das Verbot, eine Abschiebung vorher anzukündigen, betrifft nur die Ausländerbehörde. Der Unterrichtende hat auch keine Sanktionen zu befürchten, falls aufgrund seiner Information die geplante Abschiebung nicht oder nicht wie vorgesehen durchgeführt werden kann.“ Und noch einen Tip hat die GEW parat: „Wurde eine Abschiebung verhindert, sollte dem Betroffenen bis zu einer endgültigen Lösung Solidarität und Unterstützung gewährt werden.“
Verbreitung über den Verteiler der Stadt München
Bei der Verbreitung ihrer Handreichung setzt die Gewerkschaft offenbar auch auf die Landeshauptstadt München. So bat die Geschäftsführerin der GEW-München, Siri Schultze, per Mail Mitarbeiter der Stadt, die Broschüre an alle städtischen Beschäftigten inklusive dem Pädagogischen Verteiler weiterzuleiten, was dort auch geschah.
So schickte der Leiter eines Referats die Mail mit dem Betreff: „Gewerkschaftliche Information der GEW“ an die Kollegen seines Referats, ergänzt um den Hinweis, für den Inhalt sei ausschließlich die GEW verantwortlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts umfasse das grundgesetzlich geschützte Recht der gewerkschaftlichen Werbung in einer Dienststelle auch aktuelle Kommunikationsmittel wie den Einsatz von E-Mails an die dienstlichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten, fügte er hinzu.
Ob das auch für den konkreten Fall der Anti-Abschiebungsbroschüre der GEW gilt, ist unklar. Laut einem Sprecher der Stadt prüfe man derzeit die Angelegenheit.