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Cato, Palmer, Exklusiv

„Chrismon“, das „evangelische Magazin“, das einmal im Monat aus unerfindlichen Gründen der FAZ beiliegt, ist zweifellos eine der langweiligsten und überflüssigsten Zeitschriften der Republik. Nur hartgesottene Selbstquäler oder übriggebliebene Zeit-Abonnenten lesen freiwillig neben einem ganzseitig grinsenden Porträtfoto des Buchhändlers aus Würselen ein Interview, in dem der Präsident des Europäischen Parlaments offenbart, warum er öfter mal mit seiner Frau telefoniert. Eigentlich ist so ein Presseerzeugnis ein Fall für die Rundablage.

Man muß ja ohnehin SPD- oder Grünen-Politiker sein, um in diesem „evangelischen Magazin“ so ausführlich zu Wort zu kommen wie Martin Schulz. Das Blatt könnte auch als rot-grüne Erbauungsillustrierte durchgehen. Der erhobene Zeigefinger wedelt aus jeder Seite. Diese Ausgabe kommt mal ohne Käßmanns Margot aus, dafür belehrt uns gleich hinter Schulz der Chefredakteur, daß er nicht nur mit armen türkischen Frauen solidarisch ist, die zum Kopftuchtragen gezwungen werden – seine Oma habe vor 50 Jahren auf dem fränkischen Dorf auch schon Mädchen, die kein Kopftuch trugen, als „nicht ehrbar“ verurteilt. Ist ja irgendwie alles dasselbe, muslimische Einwandererclans oder bodenständige christliche Dorfgemeinschaften der Vor-Käßmann-und-Franziskus-Ära, nervt die eingewobene werterelativistische Heilsbotschaft. Gott sei dank zahle ich keine Kirchensteuer, da finanziere ich diesen Stuß wenigstens nicht auch noch unfreiwillig mit.

Selbst eine an sich begrüßenswerte Reportage über das Schicksal einer heute noch in der Heimat lebende alte Ostpreußin, die drei Jahre Deportation nach Sibirien überstanden hat, endet in blankem Zynismus, wenn das Leid der „Sibirienfrauen“ mit penetranten Schuldkultphrasen und Geschichtsklitterungen relativiert wird. Sprechen die Frauen über die erlittenen Vergewaltigungen durch Sowjetsoldaten, moralisiert der Autor eiskalt und arrogant: „Es hat Zeit gebraucht, bis Gertrud Moritz den Gedanken zulassen konnte, daß in Ostpreußen Gleiches mit Gleichem vergolten worden war, daß sie am eigenen Leibe erfahren mußte, was deutsche Soldaten russischen Frauen und Mädchen angetan hatten“ – das ist nicht nur menschenverachtend, sondern auch sachlich schlicht falsch. Und damit es auch der Letzte merkt, steht am Artikelende auch noch dick und rot gedruckt der volkspädagogische Hinweis: „Diese Frauen haben die Sowjets nach dem Krieg nach Sibirien verschleppt. Sehr viel mehr Menschen hatten vorher die Deutschen aus Osteuropa nach Deutschland zur Zwangsarbeit verpflichtet.“ Wie können diese alten Egoisten es wagen und den Gedanken „nicht zulassen“, daß sie ja im Grunde per Kollektivschuld sich alles selbst eingebrockt haben?

Brrrrr. Manchmal aber ist „Chrismon“ so unfreiwillig komisch und selbstentlarvend, daß man beim Reinblättern doch wieder hängenbleibt. Da finden sich unter Porträts, die im Museum Europäischer Kulturen ausgestellt sind, die Spontanantworten junger Europäer zwischen 18 und 24 auf die Fragen „Was willst du machen – worauf freust du dich – wovor hast du Angst?“ Die isländische Studentin im dunklen Zweireiher-Mantel will um die Welt reisen und hat Angst vor nichts. Der britische Student –schwarzer Anzug, weiße Fliege – will in der Erdölindustrie arbeiten, schnell fertigstudieren und hat Angst vor nichts. Der deutsche Schüler – Schlumpfmütze, Schlabberpullover – will Sushi essen, freut sich darauf, sein Bett aufzubauen, und hat Angst vor Atomkraftwerken. Lange her, daß die Deutschen sich vor Gott und sonst nichts auf der Welt gefürchtet haben. Da lobt man sich doch den polnischen Studenten: Der will Rechtsanwalt werden, freut sich aufs Alkohol trinken und hat Angst vor Clowns. Nicht nur „Chrismon“ ist voll davon.

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