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Vermächtnis der Väter

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Vermächtnis der Väter

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Cato, Palmer, Exklusiv

Alle Jahre wieder wird bewegte, allerdings kaum noch bewegende Klage darüber geführt, daß das Weihnachtsfest nach wie vor „kommerzialisiert“ werde und damit seinen eigentlichen Sinn immer weiter verliere. Dem soll grundsätzlich nicht widersprochen werden

Wohl niemand wird ernsthaft behaupten, daß die allgemeine Stimmungslage vor und zu Weihnachten Ausdruck der „großen Freude“ ist, die den Hirten auf dem Felde von Bethlehem vor zweitausend Jahren verkündet worden ist und die allem Volk widerfahren soll. Allerdings sollte auch nicht behauptet werden, daß es den Kritikern der „bürgerlichen“ Festkultur allein um die religiöse Dimension dieses Problems ginge.

Ihre Argumentation müßte dann im Interesse der Glaubwürdigkeit ganz anders verlaufen. Sie ist also kein Indiz für eine Rückbesinnung auf den eigentlichen Ursprung des Festes, sondern ein Indiz für die weitere Ideologisierung religiöser und traditioneller Wertvorstellungen – von bedenkenswerten Ausnahmen einmal abgesehen.

Der evangelische Theologe, Schriftsteller und Liederdichter Jochen Klepper hat dazu am 24. Dezember 1933 (!) in seinem Tagebuch notiert: „Man macht sich leicht den Vorwurf, sich in die pittoresken Dinge des Weihnachtsfestes zu verlieben.

Aber es steht doch mehr dahinter, wenn man die lieben Züge jeder Stunde festhalten möchte: nämlich das Erstaunen, daß nach allen Leiden und Zerstörungen eines Jahres soviel Freude, Wärme, Behagen und Glanz wiederkehrt. Die Sphäre der Sitte und des Glaubens stehen nicht gegeneinander; das Fest des Glaubens duldet auch das andere; die tiefere, schwerere, festere Schicht des Glaubens trägt auch die zartere, die leichtere.

Eine Kerze, die nicht angezündet ist

Die Sitte ohne den Glauben ist ja doch eine Kerze, die nicht angezündet ist. Das Fest der Sitte appelliert an die Vergebung. Das Fest des Glaubens besitzt sie.“
Zum besseren Verständnis dieses Textes sei daran erinnert, daß Klepper wegen seiner Ehe mit einer Jüdin seit 1933 in zunehmende Bedrängnis geriet, die ihn im Dezember 1942 zusammen mit seiner Frau und Tochter in den Tod trieb.

Gleichwohl enthält sich Klepper an dieser wie an anderen Stellen der Kritik an der Sitte und Tradition des deutschen Volkes wegen der um sich greifenden Entchristlichung. Mehr noch: Er empfand sie als eine Art Schutzwall gegen die ideologischen Mächte. Er fühlte sich immer wieder durch Begebenheiten des deutschen Alltags bestätigt, „daß man am deutschen Volk nach wie vor nicht zu verzweifeln braucht. Das Volk ist ein Trost“ (Tagebucheintragung vom 11. November 1938, zwei Tage nach der sogenannten Reichskristallnacht).

Tradition und Sitte haben also auch ohne einen erkennbaren Bezug zu Gott noch immer einen identitätsstiftenden Sinn, auch wenn ein unmittelbar christlicher Ursprung nicht mehr erkennbar ist. Um in dem trefflichen Bilde Kleppers zu bleiben: Sitte ohne Gott verhält sich wie eine Kerze ohne Licht. Sie läßt sich aber wieder anzünden, damit das Licht leuchten kann.

Dazu gibt es viele Möglichkeiten, gerade jetzt zur Weihnachtszeit. Vor allem die beiden Kirchen sollten sich fragen (lassen), was sie bislang getan haben – und in Zukunft zu tun gedenken –, um die in unserem Volk zweifellos noch reichlich vorhandenen Restbestände unserer christlich-abendländischen Kultur zu reaktivieren, zu pflegen und vor der weiteren Zersetzung kirchenfeindlicher Bestrebungen zu schützen. Die üblichen Bedenken wegen der multikulturellen Gesellschaft überzeugen nicht, weil das Christentum sich in einer multikulturellen Gesellschaft entwickelt hat.

Zur Sitte vieler „Weihnachtschristen“ gehört zum Beispiel noch immer der Besuch eines Gottesdienstes am Heiligen Abend, ein Indiz für die Bereitschaft vieler Menschen, sich der Weihnachtsbotschaft zu öffnen. Ihre Zahl wächst deutlich. Doch bedauerlicherweise wird die Chance vielfach nicht genutzt und die Erwartungen vieler Menschen enttäuscht.

Anfang dieses Jahres haben sich zwanzig namhafte Intellektuelle (keineswegs aus dem konservativen Lager) in einem Brief an den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Huber, beklagt, daß sie in den von ihnen besuchten Weihnachtsgottesdiensten „Musical und Albernheiten statt der Weihnachtsbotschaft“ erlebt hätten.

Radikale Traditionsbrüche

Sie knüpften daran die Frage, „ob die evangelische Kirche und ihre ordinierten Vertreter nicht willens oder nicht mehr in der Lage sind, diese Botschaft zu vermitteln? Wo schicken sie denn die Menschen hin, die die Weihnachtsbotschaft hören wollen, die sich Trost, Sinn und Inhalte von ihrer Kirche erhoffen? In das Theater des Westens?“

Jede Antwort auf diese berechtigten Fragen muß von der Tatsache ausgehen, daß sich in der evangelischen, teilweise auch in der katholischen Kirche radikale Traditionsbrüche vollzogen haben. Selbst Bischöfe, zahlreiche Pfarrer, Religionslehrer und kirchliche Publizisten bekennen, daß sie nicht mehr an die „Wunderwelt des Neuen Testaments“ glauben können.

Sie tragen damit zu immer weiterer diabolischer Verwirrung unseres Volkes bei und damit zur Bestätigung des Glaubens an die „Wunderwelt“ des Sozialismus. Dazu gehören vor allem die Aussagen zur Weihnachtsbotschaft: daß uns allein in Jesus Christus das Heil der Welt erschienen und die Erlösung von aller Schuld verheißen ist.

In fast jedem Weihnachtslied von Martin Luther über Paul Gerhardt bis zu dem bereits erwähnten Jochen Klepper wird diese „frohe Botschaft“ (griech.: Evangelium) bezeugt. Sie steht in einem deutlichen Widerspruch zu dem, was uns im Dauertinnitus zur Schuld unseres Volkes ganzjährig „verkündigt“ wird.

Allenthalben ist vom Vermächtnis der Väter aus „dunkler Zeit“ die Rede. Man sollte die Weihnachtslieder und andere Zeugnisse aus dem reichen Erbe unseres Volkes und unserer Kirchen unter diesem Gesichtspunkt wieder einmal lesen und bedenken – nicht nur zur Weihnachtszeit. Man wird erfahren, wieviel Zuversicht und Hoffnung, Trost und Orientierung sie vermitteln – gerade auch dem „modernen“ Menschen, gerade auch in unserer Zeit.

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